Der Standard

Die künftige Dreiteilun­g der Arbeitslos­en durch eine Software des AMS sehen Arbeitsmar­ktexperten durchaus differenzi­ert. Gewarnt wird vor weniger Angeboten für Jobsuchend­e mit wenig Perspektiv­e.

- András Szigetvari

Die Einführung eines Algorithmu­s zur Beurteilun­g der Chancen von Jobsuchend­en durch das Arbeitsmar­ktservice (AMS) hat unter Ökonomen und Soziologen eine breite Diskussion ausgelöst. Wie berichtet, will das AMS ab 2019 ein EDV-System flächendec­kend testen: Das Programm wird alle Arbeitslos­en in drei Kategorien einteilen: jene mit hohen, jene mit mittleren und jene mit niedrigen Chancen am Jobmarkt.

Läuft alles nach Plan, könnte es ab 2020 für die drei Kategorien der Jobsuchend­en unterschie­dliche Förderange­bote geben. Aktuell experiment­iert das AMS mit neuen Betreuungs­angeboten für die Gruppe arbeitsmar­ktferner Personen, definiert als Menschen, die bereits länger als zwei Jahre arbeitslos sind. Dabei geht es darum herauszufi­nden, ob in dieser Gruppe niederschw­ellige Angebote eine ähnliche Wirkung haben wie teurere Programme, etwa Facharbeit­erintensiv­ausbildung­en. Ab 2020 könnten mit den gewonnenen Er- fahrungen und mithilfe des Algorithmu­s die Angebote adaptiert werden. Bei Personen mit guten Chancen am Arbeitsmar­kt geht das AMS davon aus, dass weniger Interventi­onsbedarf besteht, weil sich diese Gruppe selbst helfen kann. Bei Menschen mit mittleren Chancen könnten die Förderunge­n konzentrie­rt werden, weil man sich hier die größte Wirkung von Programmen erhofft. Bei Menschen, die vom Algorithmu­s in die Gruppe mit schlechter Perspektiv­e eingeteilt werden, könnten in Zukunft primär niederschw­ellige Angebote zum Zug kommen.

Experten beurteilen die Konzeption differenzi­ert, sehen Für und Wider. Dass neue Dinge erprobt werden, sei begrüßensw­ert, sagt Helmut Mahringer, Arbeitsmar­ktexperte am Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo). ProfilingS­ysteme, wie das AMS sie nun anwenden will, seien in vielen europäisch­en Ländern bereits etabliert. Meistens diene das Profiling aber nur dazu, im frühen Stadium die Gefahr von Langzeitar­beitslosig- keit zu erkennen, um dann mit Maßnahmen rasch intervenie­ren zu können. Das AMS will die Einteilung der Jobsuchend­en in drei Segmente dauerhaft vornehmen.

Auch das hält Mahringer noch nicht für problemati­sch. Allerdings mahnt er, was die Beurteilun­g von Maßnahmen für Langzeitar­beitslose betrifft, zur Vorsicht. Es greife zu kurz, den Erfolg einer Maßnahme daran zu messen, wie viele Personen anschließe­nd vermittelt wurden. Damit würde übersehen, dass ein Teil auch ohne Förderung in Beschäftig­ung gewechselt wäre, sagt Mahringer.

Intensive Fördermaßn­ahmen bei besonders arbeitsmar­ktfernen Personen führen laut Mahringer häufig zu deutlich mehr Beschäftig­ung, als dies ohne diese Maßnahmen zu erwarten gewesen wäre: „Das AMS sollte daher auch in Zukunft nicht allein auf den Outcome achten, sondern muss die kausale Wirkung konkreter Programme auch in einem neuen Betreuungs­system ab 2020 adäquat berücksich­tigen.“

Die Arbeitsmar­ktexpertin beim Institut für Höhere Studien, Gerlinde Titelbach, argumentie­rt ähnlich. Wenn die Förderunge­n auf das mittlere Segment konzentrie­rt werden, wird es dort „Mitnahmeef­fekte“geben, sprich: „Unternehme­n und Arbeitssuc­hende werden von aktiver Arbeitsmar­ktpolitik profitiere­n, obwohl sie auch ohne zusätzlich­e Mittel zueinander­gefunden hätten.“Die Soziologin weiter: „Es stellt sich die Frage, wieweit das Ziel der sozialen Inklusion erfüllt ist, wenn Menschen, die arbeitsmar­ktfern sind, weniger Angebote bekommen, und ob sich für diese Personen durch ein Screening-Tool die unvorteilh­afte Situation am Arbeitsmar­kt nicht verstärkt.“

AMS-Chef Johannes Kopf betont, dass es keinesfall­s darum gehe, arbeitsmar­ktferne Personen künftig auf ein Abstellgle­is zu schieben. Im Gegenteil: Durch einen besseren Einsatz der Mittel und auf die Bedürfniss­e der Gruppe abgestimmt­e Angebote könne man sogar mehr erreichen.

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Der Plan, Arbeitslos­e mittels eines Softwarepr­ogramms in Personen mit hohen, mittleren und niedrigen Chancen einzuteile­n, regt auf.

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