Die künftige Dreiteilung der Arbeitslosen durch eine Software des AMS sehen Arbeitsmarktexperten durchaus differenziert. Gewarnt wird vor weniger Angeboten für Jobsuchende mit wenig Perspektive.
Die Einführung eines Algorithmus zur Beurteilung der Chancen von Jobsuchenden durch das Arbeitsmarktservice (AMS) hat unter Ökonomen und Soziologen eine breite Diskussion ausgelöst. Wie berichtet, will das AMS ab 2019 ein EDV-System flächendeckend testen: Das Programm wird alle Arbeitslosen in drei Kategorien einteilen: jene mit hohen, jene mit mittleren und jene mit niedrigen Chancen am Jobmarkt.
Läuft alles nach Plan, könnte es ab 2020 für die drei Kategorien der Jobsuchenden unterschiedliche Förderangebote geben. Aktuell experimentiert das AMS mit neuen Betreuungsangeboten für die Gruppe arbeitsmarktferner Personen, definiert als Menschen, die bereits länger als zwei Jahre arbeitslos sind. Dabei geht es darum herauszufinden, ob in dieser Gruppe niederschwellige Angebote eine ähnliche Wirkung haben wie teurere Programme, etwa Facharbeiterintensivausbildungen. Ab 2020 könnten mit den gewonnenen Er- fahrungen und mithilfe des Algorithmus die Angebote adaptiert werden. Bei Personen mit guten Chancen am Arbeitsmarkt geht das AMS davon aus, dass weniger Interventionsbedarf besteht, weil sich diese Gruppe selbst helfen kann. Bei Menschen mit mittleren Chancen könnten die Förderungen konzentriert werden, weil man sich hier die größte Wirkung von Programmen erhofft. Bei Menschen, die vom Algorithmus in die Gruppe mit schlechter Perspektive eingeteilt werden, könnten in Zukunft primär niederschwellige Angebote zum Zug kommen.
Experten beurteilen die Konzeption differenziert, sehen Für und Wider. Dass neue Dinge erprobt werden, sei begrüßenswert, sagt Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). ProfilingSysteme, wie das AMS sie nun anwenden will, seien in vielen europäischen Ländern bereits etabliert. Meistens diene das Profiling aber nur dazu, im frühen Stadium die Gefahr von Langzeitarbeitslosig- keit zu erkennen, um dann mit Maßnahmen rasch intervenieren zu können. Das AMS will die Einteilung der Jobsuchenden in drei Segmente dauerhaft vornehmen.
Auch das hält Mahringer noch nicht für problematisch. Allerdings mahnt er, was die Beurteilung von Maßnahmen für Langzeitarbeitslose betrifft, zur Vorsicht. Es greife zu kurz, den Erfolg einer Maßnahme daran zu messen, wie viele Personen anschließend vermittelt wurden. Damit würde übersehen, dass ein Teil auch ohne Förderung in Beschäftigung gewechselt wäre, sagt Mahringer.
Intensive Fördermaßnahmen bei besonders arbeitsmarktfernen Personen führen laut Mahringer häufig zu deutlich mehr Beschäftigung, als dies ohne diese Maßnahmen zu erwarten gewesen wäre: „Das AMS sollte daher auch in Zukunft nicht allein auf den Outcome achten, sondern muss die kausale Wirkung konkreter Programme auch in einem neuen Betreuungssystem ab 2020 adäquat berücksichtigen.“
Die Arbeitsmarktexpertin beim Institut für Höhere Studien, Gerlinde Titelbach, argumentiert ähnlich. Wenn die Förderungen auf das mittlere Segment konzentriert werden, wird es dort „Mitnahmeeffekte“geben, sprich: „Unternehmen und Arbeitssuchende werden von aktiver Arbeitsmarktpolitik profitieren, obwohl sie auch ohne zusätzliche Mittel zueinandergefunden hätten.“Die Soziologin weiter: „Es stellt sich die Frage, wieweit das Ziel der sozialen Inklusion erfüllt ist, wenn Menschen, die arbeitsmarktfern sind, weniger Angebote bekommen, und ob sich für diese Personen durch ein Screening-Tool die unvorteilhafte Situation am Arbeitsmarkt nicht verstärkt.“
AMS-Chef Johannes Kopf betont, dass es keinesfalls darum gehe, arbeitsmarktferne Personen künftig auf ein Abstellgleis zu schieben. Im Gegenteil: Durch einen besseren Einsatz der Mittel und auf die Bedürfnisse der Gruppe abgestimmte Angebote könne man sogar mehr erreichen.