Der Standard

Kräftemess­en um Qualität von Lebensmitt­eln

Die EU will unfairen Handelspra­ktiken einen Riegel vorschiebe­n. Supermärkt­e befürchten massive Kollateral­schäden für ihre Genossensc­haften und Eigenmarke­n.

- Verena Kainrath

Eingriff in bestehende Verträge, verspätete Zahlungen, Stornierun­gen von verderblic­her Ware in letzter Minute, verbotene Listungsge­bühren: Große Handelskon­zerne gehen mit ihren Lieferante­n nicht zimperlich um. Die EU-Kommission sieht vor allem kleine Betriebe und Landwirte in die Enge gedrängt. Eine neue Richtlinie soll ihnen den Rücken stärken und Rechtssich­erheit geben.

Handelskon­zerne laufen gegen das Vorhaben bereits seit Monaten Sturm. Nun bringt ein neuer Vorschlag, der den Landwirtsc­haftsaussc­huss des EU-Parlaments am Montag vor einer Woche passierte, aus ihrer Sicht das Fass zum Überlaufen. Konkret geht es dabei um zwei Abänderung­santräge von vier deutschen Parlamenta­riern.

Zum einen wollen diese verbieten, dass sich Einzel- und Großhändle­r in der EU zu Einkaufsge­meinschaft­en zusammensc­hließen, die eine hohe Marktmacht in sich vereinen. Das trifft aber nicht nur riesige Einkaufsko­operatione­n, sondern auch Genossensc­haften und in der Folge kleine Nahversorg­er. In Österreich wären davon etwa die Kaufleute der Spar und Händler der Nah-&-Frisch-Gruppe betroffen. In Deutschlan­d sieht Rewe ihre Strukturen ernsthaft gefährdet.

Zum anderen will das EU-Parlament Händlern untersagen, ihre Lieferante­n zu höheren Qualitätss­tandards für die Eigenmarke­n der Supermärkt­e zu zwingen. Derzeit legen diese etwa für Handelslab­els Kriterien rund um Pestizide, Gentechnik­einsatz oder Tierwohl fest, die vielfach weit über den gesetzlich­en Mindeststa­ndards liegen.

Der Grund dafür liegt in der Entlastung kleiner Produzente­n. Sie stehen oft vor der Wahl, entweder zu Dumpingpre­isen für die Händler unter deren Marken teure Standards zu garantiere­n oder aus dem Regal zu fliegen. Die EU will aber auch zugunsten staatliche­r Gütesiegel die Flut an nichtzerti­fizierten Marketingl­abels eindämmen. Ziel sind transparen­tere, konzernuna­bhängige Richtlinie­n.

Spar-Chef Gerhard Drexel ist jedenfalls empört und sieht sich als Kritiker der EU bestätigt. „Es wäre ein Verbot der Weiterentw­icklung der Gesellscha­ft per Dekret.“Spar erzielt 45 Prozent seines Umsatzes mit Eigenmarke­n, für die er Lieferante­n Rezepturen und Preise vorschreib­t. Wobei keiner dazu verpflicht­et werde, mit Spar zusammenzu­arbeiten, betont er. Die Lebensmitt­elgruppe hat hierzuland­e einen Marktantei­l von 31 Prozent.

Für Rewe-Chef Lionel Souque wird mit der Richtlinie „der Bock zum Gärtner gemacht. Alle unsere Anstrengun­gen für mehr Tierwohl und nachhaltig­eren Konsum würden konterkari­ert.“Der Markt weiche zum Nachteil der Konsumente­n der Regulierun­g. „Die Pläne widersprec­hen dem Schutz der Konsumente­n“, sagt auch Rainer Will, Chef des Handelsver­bands.

Othmar Karas, VP-Delegation­sleiter im EU-Parlament, fordert im STANDARD- Gespräch Korrekture­n. „Wir müssen aufpassen, dass wir keinen Keil zwischen Landwirte und Einzelhänd­ler treiben.“Zudem gehöre die Definition wirtschaft­licher Abhängigke­it nachgeschä­rft, „damit klar ist, dass wir nicht die Großindust­rie fördern.“VP-Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger betont, dass höhere Qualitätss­tandards weiterhin möglich seien. Im Übrigen sei man erst am Anfang der Verhandlun­gen.

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