Der Standard

Michael Schanzes Familienmu­sical

Weltpremie­re von Michael Schanzes Familienmu­sical „Heidi“im Wiener Museumsqua­rtier. Das Ganze hat die Dynamik eines Tretroller­s ohne Räder.

- Stefan Ender

Wien – Es ist heftig. Selbst für einen bekennende­n Trash-Fan (Stichwort: das Behagen in der Unkultur) ist es bei Michael Schanzes Musical Heidi irgendwann des Schlechten zu viel. Zum Beispiel die „Band“: Sie agiert irgendwo im Nirgendwo, es hat den Anschein, als hätte Schanze Ende der 1980er-Jahre auf einer Butterfahr­t nach Helgoland einen anämischen Alleinunte­rhalter gekidnappt und ihn in der Halle E hinter den Kulissen erstmals wieder freigelass­en. Diese seifigen Streichers­ounds gibt’s sonst nur noch im Keyboard-Museum. Man ist fast enttäuscht, als sich am Ende ein paar Männer samt Instrument­arium verbeugen (Leitung: Clemens Schaller).

Die Musik Schanzes changiert zwischen der frühen Lena Valaitis und der mittleren Stefanie Hertel, der Geißenpete­r hat sogar ein Handörgeli. Im Vergleich zu den Sound-Powerperfo­rmern Vereinigte Bühnen Wien wirkt das musikalisc­he Erscheinun­gsbild angenehm abmunition­iert.

Leider schafft es Schanze selten, einen Song großflächi­ger auszubauen. Die Nummer Gespenster ist tatsächlic­h ein Horror, aber ein unbeabsich­tigter. Dann und wann wird auch getanzt, irgendwie (Choreograf­ie: Michael Kropf). Das kleine Finale hat die Dynamik eines Tretroller­s ohne Räder.

Zur Optik: Die Almhütten hat man bei den Wiener Wiesn deutlich überzeugen­der hinbekomme­n (Bühne & Regie: Manfred Waba). Uwe Kröger müht sich um ein rollenadäq­uat ruppiges Benehmen, den Gipfel seines Karrierewe­gs wird der Alm-Öhi trotzdem nicht darstellen.

Maja Hakvoort legt das Fräulein Rottweiler, pardon: Rottenmeie­r, wiehernd an. Alfons Haider bleibt mehr als (zugespielt­e) Erzählerin Johanna Spyri haften (Buch: Hans Dieter Schreeb) denn als Papa Se- semann. Wer in den hintersten Reihen zu sitzen kommt, sollte einen Feldsteche­r mitnehmen. Nein, vielleicht besser doch nicht.

Die „Youngsters“machen ihre Sache am Besten: Rebecca Soumagné als Klara, Stephan Luethy als Geißenpete­r und Vanessa Zips als Heidi. Alle singen top und sind superaufge­dreht und porentief rein, wie sich das auf einer Musicalbüh­ne so gehört. Nützt aber alles nix, die Nerven sind nach den drei Stunden trotzdem komplett ruiniert. Zwei Schnäpse, schnell! Oder hat die Wiener Wiesn noch offen? Weltpremie­renbegeist­erung im MQ. Bis 21. 10.

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 ??  ?? Die Youngsters immerhin machen ihre Sache gut: Heidi und Geißenpete­r. Alm-Öhi ist in der Hütte geblieben.
Die Youngsters immerhin machen ihre Sache gut: Heidi und Geißenpete­r. Alm-Öhi ist in der Hütte geblieben.

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