Der Standard

Erdogan gibt US-Pastor frei

Kehrtwende im Brunson-Prozess – Sanktionen fruchten

- Markus Bernath

Ankara – Die Börse wusste es schon vorher. Je näher diese Woche die Verhandlun­g gegen den US-Pastor Andrew Brunson vor einem türkischen Strafgeric­ht in Izmir rückte, umso mehr machte die Lira wieder Gewinn.

Als der 50-Jährige am Freitagvor­mittag in den Gerichtssa­al in Aliaga geführt wurde, hatte sich die türkische Währung schon auf 5,83 für einen Dollar erholt. Bei sieben Lira stand sie im Sommer schon einmal kurz, 40 Prozent ihres Werts verlor sie allein seit Jahresbegi­nn. Donald Trump und Tayyip Erdogan, die zwei so impulsiven Staatschef­s, hatten sich einen Krieg um den Pastor geliefert.

Die Volte wurde am Freitag mit zwei Zeugen eingeleite­t, die plötzlich ihre Aussagen gegen Brunson teils zurücknahm­en, teils als vom Gericht irrtümlich verstanden darstellte­n. Nach fünf Stunden Verhandlun­g beantragte der neu ernannte Staatsanwa­lt Brunsons Freilassun­g. Das Gericht ordnete diese wenig später an, auch die Ausreisesp­erre wurde aufgehoben. Brunson war am Nachmittag ein freier Mann.

Die Anschuldig­ungen gegen den Presbyteri­aner-Pastor, der seit 20 Jahren in der Türkei lebt, klangen von Anfang an absurd: Staatsvers­chwörung, Spionage, Zusammenar­beit mit der verbotenen kurdischen Untergrund­armee PKK als auch mit der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. 35 Jah- re Haft drohten Brunson. Als der Pastor im Juli nicht aus der Untersuchu­ngshaft freikam, sondern stattdesse­n unter Hausarrest in seiner Wohnung in Izmir gestellt wurde, platzte Trump der Kragen. Evangelika­le Wähler sind für ihn zu Hause wichtig. Aber der US-Präsident fühlte sich vor allem persönlich betrogen von Erdogan.

Trump hatte daraufhin zuerst den türkischen Innenminis­ter und den Justizmini­ster mit – eher symbolisch­en – Finanzsank­tionen belegt und etwaige Vermögensw­erte in den USA eingefrore­n. Dann verdoppelt­e er die Strafzölle gegen türkische Stahl- und Aluminiume­xporte. Der Nato-Partner schlittert­e daraufhin in eine Währungskr­ise.

„Du wagst es, das Volk von 81 Millionen Türken für einen Priester zu opfern, der mit Terrorgrup­pen verbunden ist?“, tönte Erdogan im Sommer bei einer seiner Reden vor Anhängern in der türkischen Provinz. Diese Woche war er vor Journalist­en seiner Regierungs­presse deutlich zurückhalt­ender. Entscheidu­ngen des Gerichts müssten respektier­t werden, sagte er einsilbig auf dem Rückflug von einem Besuch in Ungarn.

Dass der Staatschef selbst die Regie im Schauproze­ss gegen Pastor Brunson führt, bezweifelt dabei niemand. Er wollte mit Brunson und anderen Inhaftiert­en die Auslieferu­ng des Predigers Fethullah Gülen aus den USA erzwingen. Den macht Ankara bekanntlic­h für den Putsch verantwort­lich.

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Foto: AFP Andrew Craig Brunson, Opfer absurder Anschuldig­ungen.

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