Warum wir dem Politmessias zu Füßen liegen
Charismatisch, populär – und neu: Die Erwartungen sind groß. Die Gefahren des Scheiterns sind es ebenfalls. Eine Betrachtung des politischen Rettertyps in drei Stadien.
Sie sind gekommen, um zu retten. Sie befreien das Land vom rot-schwarzen Proporz, bewahren es vor dem wirtschaftlichen Niedergang, ringen profitgierige Großkonzerne nieder, halten Zuwanderung auf. Hinter sich scharen sie eine treue Gefolgschaft, eine Bewegung. Alles wird neu, alles ist auf die erlösende Figur fokussiert. Die Erwartungshaltung ist groß, sowohl in der eigenen Gefolgschaft wie auch in der Bevölkerung. Die Sehnsucht nach Neuem ist groß – wenn sich nur nicht allzu viel ändert.
Die Erwartungen und Ankündigungen bergen bereits die Gefahr des Scheiterns in sich: je höher der Flug, umso größer die Fallhöhe. Wie schnell aus einem Hoffnungsträger ein Buhmann werden kann, zeigt sich am Beispiel von Ex-SPÖ-Chef Christian Kern, der nach seinem Rückzug auf Raten gerade in seiner eigenen Partei nicht die beste Nachrede hat. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dagegen hat mit dem MessiasImage die Nationalratswahl gewonnen – und hält seine Beliebtheitswerte bisher aufrecht. Dass ein Politiker noch nach seinem Tod von Anhängern regelrecht angebetet wird, machen die Feierlichkeiten rund um den zehnten Todestag von Jörg Haider deutlich.
Der Lobbyist Karl Krammer, der auch Ex-Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) beraten hat, sieht in der Personalisierung ein Erfolgsrezept – mit Tücken. Die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle hält die Zuspitzung auf eine Person für problematisch, denn „demokratische Parteien sollten Gesinnungsgemeinschaften sein, bei denen gemeinsame Werte im Vordergrund stehen“. Zu oft seien sie ein Wahlverein für eine Person.
Die „Sehnsucht nach einer Veränderung hin zum Positiven“sei tief in den Menschen verankert, erklärt der Wiener Psychologe und Philosoph Gerhard Burda den Erfolg. Manche würden an den Erwartungen zerbrechen, andere gingen in der Rolle auf – zumindest vorläufig. Denn „die Rolle des Befreiers ist ein Ideal, aber ein sterbliches Wesen ist begrenzt“, sagt Burda. Auch für Krammer birgt es Gefahren, alles auf eine Person zu setzen: „Beim kleinsten Fehler bricht alles zusammen.“