DER AMTIERENDE
Immer wieder wurde er gefragt, lange hat er sich geziert: Sebastian Kurz, ÖVP-Chef? Schon der Aufstieg zum Staatssekretär war rasant für den damals 24-Jährigen, das Wort „Wunderkind“ist gefallen. Aber gleich die Partei übernehmen? Irgendwann, aber da müsse noch einiges passieren, erklärte Kurz damals immer wieder. Sein Aufstieg zum Parteichef schien allerdings unaufhaltsam, wenig später wurde er Kanzler, als sei das die logische Folge. Dabei habe Kurz innerparteilich demokratische Verfahren zurückgedrängt, kritisiert die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle.
Die Partei liegt Kurz nach wie vor zu Füßen. Auch in der Bevölkerung hat der Kanzler ein Jahr nach dem Wahlsieg – auch erreicht durch das propagierte Wunder der Balkanroutenschließung – nicht an Strahlkraft eingebüßt. In aktuellen Umfragen hat die ÖVP zuletzt noch zugelegt.
„Vermeidekanzler“, aber nicht auf ewig
Für Politikberater Karl Krammer war Kurz’ Emporkommen „ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich handwerklich und politisch vorbereitet, um den Eindruck zu erwecken: Jetzt kommt etwas Neues.“Dass der Kanzler nach wie vor beliebt ist, liege daran, dass er Streit und Positionierungen vermeide, wo es Widerstand geben könnte – und „den Widerspruch mit der FPÖ jetzt noch aussitzt“. Er sei kein Schweige-, aber ein „Vermeidekanzler“. Krammer warnt, dass Kurz Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nicht endlos ermahnen könne, ohne Glaubwürdigkeit einzubüßen.
„Der Messias hat etwas Erhabenes, zugleich aber auch etwas Verfluchtes“, sagt der Psychologe Burda über Kurz. So sehr Kurz auf der einen Seite verehrt wird, so groß ist die Ablehnung auf der anderen Seite. „Von einer Erlösergestalt erwartet man sich, dass sie den äußeren Konflikt zwischen Gut und Böse im Inneren schon gelöst hat.“