Der lange Weg zur neuen Mindestsicherung
Die wesentlichen Eckpunkte für die neue Mindestsicherung stehen seit Monaten fest. Strittig ist zwischen ÖVP und FPÖ vor allem noch die Frage, wann auf Immobilienbesitz zurückgegriffen werden darf.
Bei manchen Vorhaben hatte es die Regierung ziemlich eilig, die Mindestsicherung zählt nicht dazu. Eigentlich hätte schon im Juni ein Gesetzesentwurf zur geplanten Reform vorgelegt werden sollen. Bis heute gibt es einen solchen aber nicht, was die Soziallandesreferenten der Länder am Freitag einmal mehr kritisierten.
Über die Gründe hört man in Regierungskreisen Unterschiedliches. Die einen glauben, die EURatspräsidentschaft sollte nicht mit dem Thema überlagert werden. Andere wiederum meinen, die ÖVP wollte ausstehende Höchstgerichtsurteile abwarten.
Wie berichtet, wurde die niederösterreichische Regelung, die auf die Dauer des Aufenthalts in Österreich abstellte und eine recht starre Deckelung enthielt, bereits aufgehoben. Anhängig beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist noch die oberösterreichische Regelung, die nun auf die nächste VfGH-Session Ende November vertagt wurde. Zudem hat der VfGH auch noch die Prüfung des burgenländischen Modells eingeleitet, das eine Deckelung bei 1500 Euro für Familien vorsieht.
Weniger für Großfamilien
Im Sozialministerium heißt es nun, ein Entwurf werde im November vorgelegt. Dabei stehen die wesentlichen Eckpunkte der Reform seit Mai fest, als bereits ein Ministerratsbeschluss gefasst wurde. Die Höhe der Mindestsicherung für Alleinstehende wird sich grundsätzlich, wie bisher, an der Ausgleichszulage orientieren (aktuell 863 Euro). Neuerungen sind bei den Kinderzuschlägen geplant. Für das erste Kind soll es etwas mehr als bisher (25 Prozent des Richtsatzes) geben, ab dem zweiten Kind sinken die Zuschläge aber rasant, weshalb Familien mit mehreren Kindern in Summe weniger bekommen werden.
Und, ebenfalls ein türkis-blaues Anliegen: Menschen mit Deutschdefiziten sollen eine um 300 Euro niedrigere Leistung bekommen. Diese Maßnahme zielt vor allem auf Flüchtlinge ab. Strittig ist in den Verhandlungen laut Informationen des STANDARD derzeit vor allem noch die Frage des Vermögenszugriffes. Bei der Mindestsicherung muss grundsätzlich Eigenvermögen bis zu einer Freigrenze aufgebraucht werden, bevor ein Anspruch besteht. Aktuell liegt diese, je nach Bundesland, bei 4200 bis 4300 Euro, künftig sollen es rund 5000 Euro sein.
Eine Immobilie darf behalten werden, sofern sie eine „angemessene“Größe hat. Allerdings: Die Behörde kann sich nach sechs Monaten ins Grundbuch eintragen lassen. In Wien, wo es die meisten Bezieher gibt, ist das im Vorjahr rund 200-mal passiert. Finden die Betroffenen später wieder einen Job, müssen sie die bezogene Mindestsicherung so lange zurückzahlen, bis die im Grundbuch abgesicherten Ansprüche getilgt sind.
Lockerung gefordert
Die Freiheitlichen wollen nun laut Verhandlern Lockerungen für einen Teil der Mindestsicherungsbezi eher. Konkret geht es um die Aufstocker, also Menschen, deren Einkommen so niedrig ist, dass sie einen Teilanspruch aus der Mindestsicherung haben. Es kann sich dabei um Arbeitseinkommen handeln, laut einer früheren Wifo-Studie bekommen aber fast 30 Prozent der Min destsi ch erungsbe ziehe reine Aufstockung auf das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe.
Bei den letzteren beiden Gruppen sollen, so der blaue Wunsch, die Behörden künftig nicht mehr die Möglichkeit haben, ins Grundbuch zu gehen. Ein vorgebrachtes Argument: Es müsse einen Unterschied zwischen jenen, die bereits in das Arbeitslosenv er sicherungssystem eingezahlt haben, und jenen geben, die zu 100 Prozent Mindestsicherung beziehen.
Ebenfalls ins Treffen geführt wird, dass bei ausländischen Beziehern nicht überprüft werden könne, ob diese im Herkunftsland noch eine Wohnung oder ein Haus haben. Daher wären sie laut den Freiheitlichen gegenüber inländischen Aufstockern bessergestellt, wenn bei diesen auf Immobilien zugegriffen wird. Der Ausgang der Verhandlungen ist offen. Die ÖVP soll derzeit noch eher auf der Bremse stehen.