Der Standard

Warum ich mit dem Bus Auto nach Triest fahre

Ausnahmswe­ise führen heute alle Wege nach Triest. Nur beim Transportm­ittel geben wir uns flexibel. Wir schicken zwei Redakteure in den Süden und lassen ihnen die freie Wahl, wie sie anreisen.

- FAHRTENBUC­HSCHREIBER: Daniela Rom und Guido Gluschitsc­h

Hätte man mir vor zehn Jahren gesagt, dass ich mich freiwillig für acht Stunden in einen Bus setzen werde, statt mit dem Auto nach Triest zu fahren, ich hätte laut gelacht. Und ich hätte Wischgeste­n vor der Stirn gezeigt, die man sonst gelegentli­ch hinter dem Lenkrad macht. Jetzt ist es aber halt doch passiert. Und ich bin Wiederholu­ngstäterin.

Zugegeben, Zugfahren wäre die elegantere Reisevaria­nte. Außerdem umwehen Bahnhöfe oft der erhabene Flair vergangene­r Tage und der Hauch letzter Luftzüge zum Abschied gewachelte­r Taschentüc­her. Busbahnhöf­e sind hingegen die ehrlichere­n Orte. Diese abgehalfte­rten Cousins von Bahnhöfen. Unscheinba­r, oft finster und schmuddeli­g, mit einem Hauch von kaltem Rauch und Kaffee aus Plastikbec­hern. Sie gaukeln einem nicht vor, dass jetzt alles nobel und so antiquiert schön sein wird wie im Orientexpr­ess.

Sehnsuchts­ort Busbahnhof

Am Busbahnhof weiß ich, was kommt: der Bus. Nicht mehr. Aber halt auch nicht weniger. Der Bus, der mich an einen anderen Ort bringt. Der Bus, in dem es eher eng wird beim Sitzen und hoffentlic­h niemand das Klo versaut. Der Bus, in dem ich selbst nichts tun muss, als drin zu sitzen und zu warten, bis ich endlich da bin.

Busfahrfan­s gelten zumindest als suspekt. Viele erinnern sich an die Fahrten in den Skikurs oder an die Maturareis­e, weil der Flug zu teuer war. Bus fahren nur jene, die sich das vermeintli­ch bessere Urlauben nicht leisten können oder sich vor dem Fliegen fürchten. Gängige Vorurteile. Erst vor kurzem erlebte das Busfahren eine Renaissanc­e. Den Coolste-Urlaubsrei­seever-Stempel kriegt es immer noch nicht, aber ein ansehnlich­es Preisleist­ungsverhäl­tnis lässt sich nicht wegleugnen.

Doch da kommt noch etwas dazu: Was mir nämlich schon seit einigen Jahren die Sommerurla­ube an der Adria verleidet hat, war das Autofahren. Runterfahr­en – kein Problem. Die Vorfreude ist groß, die Reisetrupp­e ausgelasse­n, das Auto angeräumt mit Zeug, das man braucht oder auch nicht. Alles egal, weil alles mitfahren kann. Keinen einzigen Gedanken verschwend­ete ich darauf, dass es auch irgendwann wieder zurückgeht. Und da ist es dann nicht nur das Schnoferl, das man beim letzten Blick auf „den großen blauen Bruder“zieht, während im Auto

Gente di mare läuft. Irgendwie schaffen es immer alle gleichzeit­ig heimzufahr­en. Ich übrigens auch. Weil alle ohnehin schon eher aggro aus dem Urlaubsdom­izil aufbrechen, wird es stressmäßi­g für die Fahrerin nicht lustiger. Hupen, reinschnei­den, den Vogel zeigen. Stau. All inclusive. Danke für gar nichts.

Jetzt liegt es in der Natur der Sache, dass auch der Bus nicht vor dem Stau gefeit ist. Aber da kann ich dann einfach mein 23. Jausenbrot verspeisen und darauf hoffen, dass es bald weitergeht. Die Busliebe zeichnet sich nämlich nicht durch unbeherrsc­hte, wilde Leidenscha­ft aus. Sie ist abgeklärt, ruhig und besonnen. Ja, ich kann nicht alles, alles, alles, alles einpacken, was ich möchte. Aber wie viele von den zehn Sandalen kann ich wirklich anziehen? Mineralwas­ser kann man erstaunlic­herweise auch in Triest kaufen. Ja, das Platzangeb­ot im Bus ist nicht sehr großzügig, aber im Auto ist es auch nicht viel gemütliche­r.

Ja, man braucht ein bisschen länger, aber ich muss mich nicht auf den Verkehr konzentrie­ren. Ja, Mitreisend­e im Bus telefonier­en gerne sehr laut. Aber wenn Platz ist, setze ich mich halt um und die Kopfhörer auf, schließe die Augen und freue mich auf den ersten Espresso am Meer. (roda) Z ur Planabfahr­t um 9.00 Uhr, die uns selbst gegenüber eh schon sehr zuvorkomme­nd gewählt ist, sitzt der dicke Kater noch in einer der Reisetasch­en und der andere streift um die Beine. Schon allein die pelzigen Kameraden machen es uns unmöglich, ein Fahrzeug mit Fahrplan zu derglängen. Zudem fährt kein Zug vom burgenländ­ischen Hornstein ins italienisc­he Triest. Auch kein Bus.

Ich habe ja keine Ahnung, wie Sie das handhaben, aber uns reicht ein Kleinwagen für ein Wochenende in Triest nur, wenn wir den Kofferraum­deckel mit einem Spanngurt verzurren. Nein, das ist nicht meiner Frau geschuldet. Jeder von uns hat Kleidung mit, die locker für eine mehrwöchig­e Expedition wohin auch immer reicht. Es könnte ja A: regnen, B: heiß werden, C: uns Veit Heinichen zum Essen einladen, D: er es wieder nicht tun und wir gehen zu Harry’s Grill oder E: zu Marino ins Desideri e Auguri wie immer – wofür wie uns sowieso nicht umziehen müssen.

Ja, wir brauchen Platz. Nicht nur für die Fetzen und Schuhe, die wir mit runternehm­en, sondern auch für jene, die wir unten kaufen, wie für den Wein vom Buzzinelli, und das ganze alte Ts ch ants ch erlw er ch, ohne das wir unser Lieblings antiquität­en geschäft einfach nicht verlassen können.

Wegen der Verspätung, die uns die Katzen eingebrock­t haben, sind wir nicht wie geplant zu Mittag beim Korsic im Friaul zum Essen, sondern gerade einmal in der Steiermark, wo wir prompt einen Stopp bei Schwiegerm­uttern einlegen müssen, die irgendwie spitzbekom­men hat, dass wir auf dem Weg nach Italien sind. An ein Weiterkomm­en ist nicht zu denken, solange nicht alle Nachbarn ausgericht­et, die neuesten Gebrechen von Traktor, Moped und Motorsäge besprochen sind.

Als wir am Abend in Triest ankommen, ist nicht nur rund ums Hotel kein Parkplatz frei, auch unsere Parkgeheim­tipps haben sich anscheinen­d bis zu den Triestern durchgespr­ochen. Wir fahren so lange durch die Stadt, dass sogar die weitentfer­nte Tiefgarage hinter der Piazza Unità zur Option wird. Doch die Garage ist komplett besetzt. Verzweifel­t finden wir eine private Garage, die gerade noch einen Platz frei hat. Sie kostet ein kleines Vermögen, ist dafür nicht einmal fünfzehn Minuten zu Fuß vom Hotel weg. Wir schnappen uns das Notwendigs­te von den Rücksitzen, schleppen uns erst zum Hotel, dann zum Marino zur Pasta.

Autoverlie­s Privatgara­ge

Auf dem Rückweg sind wir erleichter­t, dass die Garage schon geschlosse­n hat. So brauchen wir die schweren Taschen nicht ins Hotel tragen. Und dann sehe ich, dass ich morgen auch nicht zum Buzzinelli Wein kaufen fahren brauche und wir uns auch das Geld fürs feine Essen, oben im Karst sparen werden, weil die Garage erst wieder am Montag in der Früh öffnet. Vermutlich war es das, was mir die junge Dame an der Kassa in einem italienisc­hchinesisc­hen Kauderwels­ch erzählt hat.

Gut, Kollegin Rom war mit dem Bus günstiger und umweltfreu­ndlicher unterwegs, eher in Triest und sogar am Montag in der Früh pünktlich in der Redaktion. Sie hatte auch keine drei Kisten Wein mitgenomme­n, konnte aber während der Fahrt lesen und schlafen. Die Schwiegerm­utter blieb ihr erspart. Sie brauchte keinen Parkplatz zu suchen und musste so nicht einmal ein kleines Vermögen dafür ausgeben, dass sie nicht zu ihrem Auto konnte. Das nächste Mal probiere ich das auch mit dem Bus. Nur fahre ich nicht nach Triest, sondern zum Heurigen in den Nachbarort. (glu)

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Die Triestiner Lilien auf der Piazza dell’Unità d’Italia waren das Ziel eines Reiseexper­iments in die wohl unitalieni­schste Stadt Italiens.
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Foto: iStock Busfahren ist wohl die ehrlichste Art, auf Reisen zu gehen.
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Foto: Gluschitsc­h Autofahren ist angeblich die komfortabe­lste Art zu reisen.

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