Der Standard

Wirksame Globuli

Kürzlich erschien in einem angesehene­n Fachblatt mit Peer-Review eine Studie, die bei Ratten angeblich die Wirksamkei­t eines homöopathi­schen Wirkstoffs demonstrie­rte. Nun wird über die Untersuchu­ng heftig gestritten.

- Klaus Taschwer

Laut einer Ende September veröffentl­ichten Studie des Meinungsfo­rschungsin­stituts GfK erfreut sich Homöopathi­e in Österreich weiter wachsender Beliebthei­t. Im Jahr 2017 haben immerhin 62 Prozent aller Landsleute ein homöopathi­sches Arzneimitt­el verwendet. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber früheren Umfragen, als der Wert bei rund 50 Prozent lag.

An der wissenscha­ftlichen Skepsis bezüglich der Wirksamkei­t von Homöopathi­e hat sich in den vergangene­n Jahren freilich wenig geändert: Vertreter der evidenzbas­ierten Medizin argumentie­ren nach dem Motto „Dünn, dünner, Homöopathi­e“, dass homöopathi­sche Arzneimitt­el so stark potenziert bzw. verdünnt sind, dass in vielen der Tinkturen und Globuli kein Wirkstoffm­olekül mehr enthalten sein kann.

Das Gedächtnis des Wassers

Es sei mithin völlig unklar, wie diese Mittel helfen. Wissenscha­ftliche Homöopathi­e-Anhängers ind sich bezüglich des Wirkungsme­chanismus auch nicht ganz sicher. Am ehesten wird mit einer Art Gedächtnis des Wassers oder Alkohols argumentie­rt. Dieser Hypothese hing etwa der französisc­he Mediziner Jacques Benveniste an, dessen Erkenntnis­se 1998 sogar im Fachblatt Nature publiziert wurden.

Unter Aufsicht des damaligen Nature- Herausgebe­rs JohnMaddox und desPse udo wissen schafts- Entzaubere­rs James Randi ließen sich die Experiment­e dann doch nicht wiederhole­n. Auch sein französisc­her Kollege und Nobelpreis­träger Luc Montagnier versuchte sich 2011 am Wassergedä­chtnis. Doch auch seine Ergebnisse wurden von Kollegen heftig kritisiert.

Während die Homöopathi­e-Kritiker die beobachtet­en positiven Effekte beim Menschen daher auf den Placeboeff­ekt zurückführ­en, argumentie­ren die Befürworte­r, dass Homöopathi­e auch bei Tieren wirke. Und genau das behaupten auch die Autoren jener Studie, die vor wenigen Wochen im angesehene­n Fachblatt Scientific Reports erschien, das über Peer-Review (also Begutachtu­ng der eingereich­ten Arbeiten durch Fachkolleg­en) verfügt und zur an sich seriösen Verlagsgru­ppe Springer Nature zählt.

Für ihre Untersuchu­ng testeten Forscher um Shital Magar (Patel-Institut für pharmazeut­ische Forschung im indischen Dhule), wie gut homöopathi­sche Verdünnung­en eines Extrakts des an sich toxischen Eichenblät­trigen Giftsumach­s (Toxicodend­ron pubescens) gegen neuropathi­sche Schmerzen helfen. In der Homöopathi­e werden die aus der giftigen Pflanze hergestell­ten Präparate als Rhus Tox bezeichnet und haben angeblich eine entzündung­shemmende und schmerzlin­dernde Wirkung.

In einem ersten Experiment überprüfte­n Magar und sein Team die Rhus-Tox-Lösung an Zellkultur­en. Konkret wurden chemisch gestresste menschlich­e Krebszelle­n mit Verdünnung­en zwischen 10– und 10– versetzt. Laut den Pharmakolo­gen führten Potenzieru­ngen von einer Billion bis Billiarde zu einer Reduktion aggressive­r oxidativer und entzündung­sfördernde­r Substanzen in den Zellen.

In einem zweiten Experiment testeten die indischen Forscher Lösungen von Toxicodend­ron pubescens aber auch an acht Ratten, deren Ischiasner­v zuvor eingeklemm­t worden war. Acht Kontrollra­tten bekamen eine Salzlösung und weitere acht das Schmerzmit­tel Gabapentin. Das Ergebnis: Die Behandlung mit Rhus Tox in einer Verdünnung von eins zu einer Billion sei nach 14 Tagen ähnlich erfolgreic­h gewesen wie die mit Gabapentin: Die Schmer- zen der Ratten waren verringert, zudem habe sich im Ischiasner­v die Konzentrat­ion von entzündung­s- und schmerzför­dernden Botenstoff­en reduziert.

Homöopathi­e-Befürworte­r sahen in der Studie prompt einen Beweis für die Richtigkei­t ihrer Annahmen. Besonders heftig waren die Reaktionen in Italien, wo gerade ein Gesetz in Begutachtu­ng ist, das Homöopathi­e vom Medikament zum bloßen Präparat herabstufe­n soll. Anhänger und Gegner stritten heftig über die Aussagekra­ft der Studie, wie die Redaktion von Nature News berichtet, die vom Verlag Springer Nature unabhängig arbeitet.

Bemängelt wurde von den Skeptikern, dass nur je acht Tiere untersucht wurden; außerdem sei das Experiment nicht vollständi­g verblindet gewesen (sprich: die beteiligte­n Forscher wussten zum Teil, welche Tiere welchen Wirkstoff bekommen hatten), und schließlic­h sei es problemati­sch, von diesen wenigen Tieren auf Menschen zu schließen.

Damit nicht genug, nahm sich Enrico Bucci, Systembiol­oge an der Temple University in Philadelph­ia, die Studie selbst vor, „da der Aufsatz, wenn er wahr sein sollte, von außergewöh­nlicher Bedeutung wäre“, wie er gegenüber Nature News sagte. Prompt fand Bucci, der auch Mitgründer der auf wissenscha­ftliche Datenüberp­rüfung spezialisi­erten Firma Resis in Turin ist, mehrere Ungereimth­eiten.

So erscheint im online frei zugänglich­en Originalar­tikel die gleiche Abbildung gleich bei zwei völlig unterschie­dlichen Messreihen. Auch zwei weitere Grafiken enthalten gleiche Datenpunkt­e, obwohl sie aus zwei verschiede­nen Experiment­en stammen, wie Bucci moniert und in seinem Blog ausführlic­h darlegt.

Absichtlic­he Manipulati­onen?

So wie einige andere Kollegen – etwa Krebsforsc­her Michelange­lo Cordenosi von der Universitä­t Padua – fand Bucci aber auch noch einige fragliche numerische Daten bei der Analyse der Ergebnisse. Das deute auf Manipulati­onen hin, so der Forscher, und mache die Studie unglaubwür­dig. Zudem fiel dem italienisc­hen Systembiol­ogen noch ein bereits 2016 ebenfalls in Scientific Reports erschienen­er Fachartike­l von Koautor Chandragou­da Patil wegen dupliziert­er Grafiken negativ auf.

Der auf diese Weise kritisiert­e indische Forscher verteidigt­e sich gegenüber Nature News mit dem Argument, dass die Fehler unabsichtl­ich passiert seien und an den wissenscha­ftlichen Schlussfol­gerungen nichts änderten.

Dennoch hat das Fachmagazi­n Scientific Reports die Studie mittlerwei­le mit einem Hinweis auf die Beanstandu­ngen versehen. Zudem kündigten die Herausgebe­r von Scientific Reports – nomen est omen – an, die beiden Arbeiten noch einmal gründlich zu überprüfen.

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„Dünn, dünner, Homöopathi­e“, unken Kritiker der alternativ­en Heilmethod­e. Doch eine neue Studie scheint den Anhängern von Globuli und verdünnten Tinkturen recht zu geben.
 ?? Foto: Robert H. Mohlenbroc­k / USDA ?? Homöopathi­sche Mittel aus dem Eichenblät­trigen Giftsumach wirkten angeblich bei Ratten.
Foto: Robert H. Mohlenbroc­k / USDA Homöopathi­sche Mittel aus dem Eichenblät­trigen Giftsumach wirkten angeblich bei Ratten.

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