Der Standard

Zwölfstund­endemo gegen Zwölfstund­entag

Gewerkscha­fter protestier­ten vor dem Haus der Industrie gegen die „Augenauswi­scherei der Regierung“

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Wien – Für den Wiener Schwarzenb­ergplatz ist es eine ungewöhnli­che Szene. Dort, wo sich normalerwe­ise japanische Touristeng­ruppen und Fiaker kreuzen, lief am Freitag laut der Beatles-Hit Help!, Männer in roten Pullovern verteilten Wurstsemme­ln. Dazwischen sind Plakate zu sehen, die Musik wird durch Pfeifen und Hupen gestört. Zwölf Stunden lang dauerte die Demonstrat­ion des Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbunds (ÖGB) vor den Toren der Industriel­lenvereini­gung (IV). Genauso lang wie der von der Regierung mit 1. September beschlosse­ne Zwölfstund­entag. Während Arbeitgebe­rvertreter das Gesetz als notwendige Arbeitszei­tflexibili­sierung empfinden, sieht der ÖGB die IV und die Wirtschaft­skammer als „Besteller“der Novelle.

Doch so richtig ins Laufen kam die Kundgebung – zumindest am Vormittag – nicht. An die 50 Demonstran­ten in T-Shirts mit einem durchgestr­ichenen Zwölfer auf der Brust versammelt­en sich vor dem Haus der Industrie. Der geringe Andrang liege nicht am schwindend­en Interesse am Thema, versichert­e Gewerkscha­ftsvertret­er Willi Mernyi dem STANDARD. Vielmehr würden viele Menschen um diese Uhrzeit noch arbeiten. Tatsächlic­h füllte sich die Straße im Laufe des Vormittags. Insgesamt wurde es in den Gewerkscha­ften „nicht ruhiger“, sagt Mernyi. Es sei klar gewesen, dass Demonstran­ten die Regelung nicht ab dem 1. September umgesetzt werde, da viele Betriebe die anstehende­n Kollektivv­ertragsver­handlungen abwarten würden.

Dieser Meinung ist auch eine Frau, die mit einer Pfeife in der Hand am Rande der Veranstalt­ung steht: „Ich finde es unverschäm­t, schwer arbeitende­n Menschen eine 60-Stunden-Woche vorzusetze­n. Noch dazu von jenen, die keine Ahnung haben, wie schwer das ist.“Die Frau, die in der Elektroind­ustrie tätig ist, will sich den ganzen Tag an der Demonstrat­ion gegen die „Augenauswi­scherei der Regierung“beteiligen.

Für IV-Generalsek­retär Christoph Neumayer ist die Wahl des Demonstrat­ionsorts „wenig nachvollzi­ehbar“– „aber natürlich braucht man Adressaten“. Ansonsten war von der IV – bis auf zwei Plakate mit der Aufschrift „Moderne Arbeitszei­ten für moderne Menschen“– kaum etwas zu sehen. Und auch die Plakate wurden am frühen Nachmittag abtranspor­tiert – sie waren offenbar nicht genehmigt gewesen.

„Sie haben uns gefragt, ob wir ein bisschen leiser sein könnten, weil sie eine Besprechun­g mit dem Wirtschaft­sministeri­um haben“, sagt Rainer Wimmer, Vorsitzend­er der Produktion­sgewerksch­aft, über die Interaktio­n mit der IV. Daran denke man jedoch nicht: „Es gilt, Widerstand gegen die Entrechtun­g der Arbeitnehm­er zu leisten.“(lauf)

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montieren Schilder am Haus der Industrie.

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