Der Standard

Wegen Italien liegen die Nerven zunehmend blank

Ifo-Chef Fuest sieht Apenninenh­albinsel ohne Kurskorrek­tur vor Pleite – Europäisch­e Zentralban­k würde nicht einschreit­en

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Rom/Brüssel/Bali – Bei der Jahrestagu­ng des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) auf der indonesisc­hen Urlaubsins­el Bali ist Europa wieder Problemfal­l – wegen Italien. Weil die Regierung in Rom Wahlgesche­nke verteilen will, stürzt sich das Land ins Schuldenma­chen. Schon geht das Gespenst einer Staatsplei­te um, zumal die Risikoaufs­chläge auf italienisc­he Bonds kräftig gestiegen sind. Das macht die Finanzieru­ng der Schulden für Rom immer teurer.

Der Chef des Münchner IfoInstitu­ts, Clemens Fuest, hat ausgesproc­hen, was viele andere denken. Er befürchtet eine Staatsplei­te Italiens, sollte die Regierung in Rom ihren finanzpoli­tischen Kurs beibehalte­n. Der Kurs der aktuellen Regierung führe ins Abseits, schrieb Fuest in einem Gastbeitra­g für das Handelsbla­tt vom Freitag. Er werde die wirtschaft­liche Lage des Landes weiter verschlech­tern. Ohne Kurskorrek­tur drohten Italien eine Staatsplei­te und ein wirtschaft­licher Absturz.

Die Regierung in Rom plant, mit neuen Schulden soziale Wohltaten unters Volk zu streuen. Das Defizit soll 2019 bei 2,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s liegen, statt, wie gegenüber den europäisch­en Partnern versproche­n, bei 0,8 Prozent. Leisten kann sich Italien die Spendierla­une nicht, schon jetzt liegt die Schuldenqu­ote des Landes bei 130 Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung – einen höheren Wert weist in Europa nur Griechenla­nd auf.

An den Finanzmärk­ten ist die Aufregung deshalb groß. Für eine Anleihe mit zehn Jahren Laufzeit muss Rom derzeit rund 3,6 Prozent Zinsen bieten. Zum Vergleich: Bei Deutschlan­d sind es nur rund 0,5 Prozent. Noch scheint der Preis für das Schuldenma­chen verkraftba­r. Gefährlich wird es aber, wenn sich der italienisc­he Finanzmini­ster nicht mehr zu vertretbar­en Kosten frisches Geld besorgen kann, um alte Schulden zurückzuza­hlen. Dann stünde das Land vor der Pleite, wie vor Jahren Griechenla­nd. Das Problem wäre aber ungleich gewaltiger: Italien ist die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone, eine Insolvenz könnte den gesamten Währungsra­um in den Abgrund reißen.

Der Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Mario Draghi, ist Italiener und fährt seit Jahren als Reaktion auf die Finanzund Griechenla­ndkrise eine ultralocke­re Geldpoliti­k, von der auch die schuldenge­plagten Länder im Süden Europas profitiert haben. Das könnte sich ändern. Die EZB will Italien bei Zahlungspr­oblemen nicht als Nothelfer unter die Arme greifen. Dies könne sich nur ändern, wenn die Regierung in Rom unter den EU-Rettungssc­hirm schlüpfe, sagten mehrere Euro-Wächter am Rande des Treffens von IWF und Weltbank auf Bali. Damit wären – wie bei Griechenla­nd – harte Spar- und Reformaufl­agen verbunden. „Das ist ein Testfall, um zu zeigen, dass Europa und seine Mechanisme­n funktionie­ren“, sagte ein Insider.

EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker warf Italien im Interview mit der französisc­hen Zeitung Le Monde Wortbruch vor. Bis Montag muss Rom seine Haushaltsp­läne an die EU-Kommission schicken. Diese prüft dann, ob alles im Einklang mit den EURegeln ist. (Reuters, dpa, red)

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