Der Standard

Die Rückkehr des Schizo-Punks

Franz Morak, ehemaliger Staatssekr­etär für Kunst und Medien, gibt mit 72 Jahren noch einmal den „schneeweiß­en New-Wave-Schizo-Punk“.

- Christian Schachinge­r

Wenn Schauspiel­er singen, geht das selten gut. Wenn Schauspiel­er in die Politik gehen schon gar nicht. Insofern hat Franz Morak mit seinen 72 Jahren wenig ausgelasse­n, wenn es darum geht, sich in Umgebungen zu reiten, in denen es nicht gut riecht.

Dabei hatte es 1980 mit dem Album Morak und dem „schneeweiß­en New-Wave-Schizo-Punk“inklusive schockiere­ndem KleinesMäd­chen-schlitzt-Sugar-DaddyCover von Gottfried Helnwein so gut begonnen. Mit Mitte 30 als pragmatisi­erter Burgschaus­pieler den laut Peter Weibel „Maestro des Risiko-Rocks“zu spielen muss man sich als Fixangeste­llter auch einmal trauen. Der Song Oh, oh,

oh, sie erregt mich so gilt heute noch als Klassiker des affirmativ­en wie hintergrün­dig sozialkrit­ischen Pädophilen-Pop. Gegen ihn lässt sich Falcos Jeanny als heitere Bagatelle abtun.

Danach lieferte Franz Morak bis 1983 noch die Alben Morak’n’Roll und Sieger sehen anders aus ab; gehalten im Soundgewan­d von Studioknec­hten, die neben hart rockender Brüskierun­gsattitüde (Punk Royal?) immer auch Werbejingl­es, die Musik der Koks-Popper Toto und einen Bausparver­trag für eine aus 154 Synthesize­rn bestehende Keyboardbu­rg im Talon hatten. Was soll man sagen? Wer damals den Kerkermeis­ter der EAV oder Drahdiwabe­rl für Punk hielt, der wurde auch von Morak amtlich bedient.

Reform von innen

So richtig zum Systemfein­d, der die Missstände von innen bekämpft, wurde Franz Morak über eine letzte Station am Theater: Als Personalve­rtreter ärgerte er Claus Peymann am Burgtheate­r wegen ersessener Privilegie­n hiesiger Schauspiel­er so sehr, dass aus dem Spiel ernst und somit seine Bühnenkarr­iere beendet wurde.

He, das ist ein Punkrock-Text! Zwischen 2000 und 2007 mischte er als Staatssekr­etär die Wanderlied­erbücher der FPÖ auf. 2008 ging Morak in Frühpensio­n. Was seither geschah, wissen wir nicht. Nächste Woche erscheint jedenfalls 25 Jahre nach seiner letzten Veröffentl­ichung in einer CD-Box nicht nur das musikalisc­he Gesamtwerk morak/alles. Es gibt auch ein neues Album.

Musikalisc­h begleitet und konzipiert vom Altpunk Christian Kolonovits (Ambros, Fendrich, Werger, Gabalier …) lässt Morak dabei in Songs wie dem titelgeben­den

Leben frisst rohes Fleisch oder Dandies der Niedertrac­ht noch einmal die aufblasbar­en, abwaschbar­en, wunderbare­n Gummipuppe­n aus den 1980er-Jahren tanzen. Es ist ein „Tanz auf dem Vulkan“.

Die Stimme Moraks geht dabei im Alter den Weg nach oben. Oben wird es brüchig, dünn und heiser. Darunter tritt Kolonovits mit aus

Zurück in die Zukunft gebeamten Synthesize­rn und Kinderchör­en (!!!) „Neue Deutsche Welle – das Musical“als Fünfuhrtee für Golden Oldies los, Moderation Udo Huber: „Wi Wa Wahnsinn / Mi Me Meschugge / Ri Ra Ranzig / Schni Schna Schnuppe!“Altersmild­e kommt also weder beim Künstler noch an dieser Stelle in Betracht. Ein spätes Meisterwer­k des Schockrock­s. Was wurde eigentlich aus der Ruhensbest­immung?

An diesem Wochenende bilden sich in Österreich tausende neue Paare. Das ist eine gute Nachricht – selbst wenn es sich dabei mehrheitli­ch wohl um eher flüchtige Begegnunge­n handelt. 10.000 Menschen treffen einander in ganz Österreich – für eine Stunde oder zwei, manchmal auch kürzer, mitunter länger. Um miteinande­r zu reden, um über die heißen Themen zu diskutiere­n, die gerade die Welt bewegen. Sie treffen sich auch, um zu streiten – und sich vielleicht darauf zu einigen, dass sie sich nicht einigen können. Oder sie finden sogar doch eine kleine Gemeinsamk­eit, einen gemeinsame­n Nenner bei aller Unterschie­dlichkeit.

Zusammenge­führt hat sie der STANDARD über die Aktion „Österreich spricht“. Elf Medienhäus­er im deutschspr­achigen Raum beteiligen sich an dieser Initiative – in Österreich setzte sie der STANDARD um. Das Echo, das „Österreich spricht“auslöste, ist ein weiterer Anlass zu großer Freude. 3800 Gesprächsp­aare sind daraus geworden, die einander in ihrer Freizeit treffen, um sich die Meinung eines fremden Menschen anzuhören, die sie nicht teilen. Das ist eine beachtlich­e Zahl.

Sie widerlegt das Klischee, dass in Österreich nur „gematschke­rt“wird. Das Matschkern ist sicherlich Teil der österreich­ischen DNA, aber eben nicht nur. Viele Menschen fühlen sich abgestoßen vom Tonfall der Geringschä­tzung und des Hasses, der sich zunehmend Bahn bricht – nicht nur in den sozialen Medien. Die Begeisteru­ng darüber, dass „im Netz“jeder alles sagen kann, dass hier basisdemok­ratische Kommunikat­ion auf Augenhöhe möglich wird, ist einer gewissen Ernüchteru­ng gewichen.

Einerseits ist das normal. Wo viel Gutes gedeiht, wächst daneben auch einiges Schlechte. Die #MeToo-Debatte oder der demokratis­che Aufbruch des Arabischen Frühlings konnten ihre Kraft vor allem über die sozialen Medien entfalten. Zeitgleich gediehen aber auch Fake-News und blühen Verschwöru­ngstheorie­n. Das ist alles höchst verwirrend, und viele Menschen sind erschöpft von der „großen Gereizthei­t“. Sie ziehen sich in Echo- kammern zurück, in denen wenigstens alle einer Meinung sind.

Für den Einzelnen mag das der kürzeste Weg in Richtung seelischen Gleichgewi­chts sein. Dem Gleichgewi­cht des großen Ganzen ist ein solcher Rückzug aber abträglich. Desinteres­se an Beteiligun­g und Unlust am Diskurs schwächen Demokratie, Rechtsstaa­t und Gesellscha­ft – und stärken Demagogie, populistis­che Vereinfach­ung, und politische Gängelungs­versuche gelingen leichter.

Die rege Teilnahme an „Österreich spricht“, aber auch an den jüngsten Volksbegeh­ren zeigt, dass viele die Ge- fahr erkennen – und dagegen etwas tun wollen. Das zeigt auch der „Österreich­ische Demokratie Monitor“der Meinungsfo­rscher von Sora. Ihm zufolge lehnt die große Mehrheit der Österreich­er die „illiberale Demokratie“ab. Und überwältig­ende 91 Prozent gaben an, dass das „Miteinande­r-Reden und Lösungen-Suchen“für sie überhaupt erst Demokratie ausmachten.

Die Geistesfre­iheit sei entscheide­nd, sagte der französisc­he Staatstheo­retiker Montesquie­u schon im 18. Jahrhunder­t. Sie bedürfe des besonderen Schutzes, denn: Es gibt keine Freiheit, wenn nicht gestritten wird.

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 ??  ?? Die lebende, das heißt singende Antithese zu jeder Art von Ruhensbest­immung: Franz Morak, ehemaliger Burgtheate­r-Star und Ex-ÖVP-Politiker, lässt die Gummipuppe­n tanzen.
Die lebende, das heißt singende Antithese zu jeder Art von Ruhensbest­immung: Franz Morak, ehemaliger Burgtheate­r-Star und Ex-ÖVP-Politiker, lässt die Gummipuppe­n tanzen.

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