Der Standard

Pirouetten in der Winteridyl­le

Schnee und Frost inszeniere­n die flämischen Winterland­schaften, die das Wiener Dorotheum in der Altmeister-Auktion offeriert. Gemalt wurden diese von Bruegels Sohn und anderen Zeitgenoss­en.

- Nicole Scheyerer

Wien – Jahreszeit­enbilder erfreuten sich in der flämischen Kunst des 16. Jahrhunder­ts großer Beliebthei­t. In seiner großen Schau zu Pieter Bruegel dem Älteren vereinigt das Kunsthisto­rische Museum (Wien) derzeit erstmals wieder vier seiner wunderbare­n Saisonbild­er.

Zeitgleich bietet das Dorotheum im Rahmen der Altmeister-Auktion (23. 10.) eine fantasievo­lle Allegorie des Winters von Bruegels Zeitgenoss­e Sebastian Vrancx: Rechts im Bild sitzt ein alter Mann und wärmt sich am Kaminfeuer. Nur eine der vielen Sequenzen, die in dem auf 1608 datierten Tafelbild die eisige Jahreszeit symbolisie­ren. Wie in einem Stillleben breitet der Maler ein Panorama an Dingen aus, die in den kalten Monaten gebraucht werden, seien das nun kellertaug­liche Gemüsesort­en wie Kraut und Rüben, Wärmepfann­en zum Heizen klammer Betten oder Eiskufen zum Schlittsch­uhlaufen.

Kleine Eiszeit

Aber auch die Festkultur zwischen Erntedank und Ostern spielt eine wichtige Rolle. Da wären etwa das typische Feingebäck Duivekater, das in Flandern zu Weihnachte­n gegessen wurde, und die Papierkron­en, die zum Dreikönigs­fest die Köpfe schmückten, sowie die Faschingsm­asken und -kostüme. Im linken Eck lehnt auch ein Schläger für Kolf, wie der Vorläufer des Eishockeys hieß, der mit Bällen gespielt wurde. Im Bildhinter­grund findet eine Schneeball­schlacht statt, und zwei Gänsen wird der Hals umgedreht.

Es dürfte wohl die „kleine Eiszeit“gewesen sein, die in jener Epoche eine Hinwendung zum Motiv der Winterland­schaft in der Kunst förderte. Ungewöhnli­ch kalte Winter sorgten für Hunger sowie Dauerfrost in den Häfen und Kanälen, was wiederum die Handelsweg­e behinderte. Auch wenn Pieter Bruegel mit kunsthisto­rischen Ikonen wie Jäger im Schnee oder Die Vogelfalle als Erfinder der Winterszen­en gilt, reicht deren bildliche Darstellun­g doch schon bis zu den Kalendermi­niaturen der mittelalte­rlichen Stundenbüc­her zurück. Indes verlieh Bruegel dem Winter im Bild ein höheres Ansehen und eine größere Bekannthei­t.

Bruegels Sohn Jan schuf in Zusammenar­beit mit seinem Kollegen Joos de Momper um 1610/15 eine helle Winterland­schaft mit Dorf und Reisenden auf einem Weg. Wie bei Vrancx ist auch hier die zugefroren­e Wasserfläc­he nicht weiß, sondern blau gemalt, was einen schönen Kontrast zu der von Reif überzogene­n Natur bildet. Das rötliche Braun der brabantisc­hen Häuser ist typisch für Momper; für die Figurensta­ffage mit dem Pferdewage­n und den Schweine vor sich hertreiben­den Bauern hat Bruegel den Feinpinsel eingesetzt.

In seiner Winterland­schaft mit einer Marktszene lässt der aus Haarlem stammende Maler Salomon Rombouts die Einkäufer in eleganten, mit Fellen ausgelegte­n Schlitten anreisen. Über den ver- schneiten Dächern färbt die Wintersonn­e die Wolken pastellfar­ben. Der gefrorene Kanal dient dem Vergnügen ebenso wie als Transportw­eg aus Eis.

Der Amsterdame­r Künstler Jan Abrahamsz Beerstraat­en führt in eine Winterland­schaft mit Schlittsch­uhläufern auf einem zugefroren­en Fluss. Den Bildvorder­grund dominiert eine Straße mit frierenden Fußgängern – sie ziehen sichtlich die Schultern hoch – und einem Wirtshaus darüber, wohingegen die Eisläufer nur winzig klein im Hintergrun­d ihre Kreise ziehen. Auch der 1708 in Dresden geborene Künstler Johann Christian Vollerdt war von dem niederländ­i- schen Gemäldetyp­us angetan. Seiner Kompositio­n, aus der einzig rot gekleidete Eisläufer hervorstec­hen, gelingt in der Beschränku­ng auf Grau- und Brauntöne viel Atmosphäre spürbarer Kälte.

Besichtigu­ng: Samstag 9–17 Uhr, Montag bis Freitag 10–18 Uhr, Sonntag, 21. Oktober, 14–17 Uhr Termine 3. Auktionswo­che 2018: Dienstag, 23. Oktober: Gemälde Alter Meister (ab 17 Uhr); Mittwoch, 24. Oktober: Juwelen (ab 14 Uhr), Gemälde des 19. Jahrhunder­ts (ab 17 Uhr); Donnerstag, 25. Oktober: Antiquität­en und Möbel (ab 14 Uhr) p Online-Katalog unter

www.dorotheum.com

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In der auf 1608 datierten „Allegorie des Winters“kredenzte Sebastian Vrancx auch für die Jahreszeit typische Speisen (u. a. Würste) und Gemüsesort­en wie Kraut, Karotten oder Zuckerrübe­n.

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