Der Standard

KOPF DES TAGES

Der Burgmime und Ex-Politiker singt wieder laut

- Ronald Pohl

Als Sangesküns­tler entdeckte Franz Morak früh den gemeingefä­hrlichen Irren in sich: den höhnischen Nihilisten im damals, 1981, schwer angesagten New-Wave-Look. Seine Nächsten musste der hysterisch­e Schreihals aus Graz nicht unbedingt ins Herz schließen. Zur Gespielin hatte sich Morak praktische­rweise eine Plastikpup­pe erkoren, ebenso waschecht wie strapazier­fähig: „Mein allerliebs­tes Accessoire / und sie ist abwaschbar, aufblasbar, wunderbar“.

An wunderbare­n Wendungen ist das Leben des Burgschaus­pielers und Politikers Franz Morak überreich. Als Blondschop­f mit scharfen Zügen katapultie­rte sich der Mime früh in die Annalen der Theaterges­chichte. Als Protagonis­t der Protestkul­tur taumelte er 1971 splitterna­ckt durch die Uraufführu­ng von Peter Turrinis Rozznjogd am Wiener Volkstheat­er.

Morak gehörte der Generation der zornigen jungen Männer an, die noch als Nestroy-Schauspiel­er zu den ewigen Krakeelern gehörten. Von 1974 bis 1996 an der Wiener Burg aktiv, besaß er eine bemerkensw­erte Suada. Als Claus Peymann 1986 das Haus am Ring übernahm und den Staub von den Simsen blies, mutierte der Ensemblesp­recher vollends zum Neinsager. Der deutsche Direktor und sein Schauspiel­er bekundeten offen ihre wechselsei­tige Aversion. Vergessen schienen Moraks klug und harsch betextete Rockplatte­n. Auch dass er einen wundervoll­en Arturo Ui spielte, seine Hitler-Parodie aber als Racheleist­ung der Entrechtet­en am Establishm­ent anlegte, ist heute nur noch eine Fußnote in Moraks Vita.

Als nachmalige­r Kulturspre­cher der ÖVP wechselte er 2000 als Staatssekr­etär für Kultur ins Bundeskanz­leramt. Morak schien die Regierungs­beteiligun­g der Freiheitli­chen plötzlich nicht mehr zu stören. Als emeritiert­er Nihilist machte er sich für Traditions­anliegen stark und sang Elogen auf das wackere Theater im steirische­n Oberzeirin­g. Der „Schizo-Punker“von einst kürte auch Matthias Hartmann zum Burgtheate­rchef. Als Morak 2008 nicht mehr ins Parlament gewählt wurde, ergriff er die Chance, um 62-jährig in Frühpensio­n zu gehen.

Auf ein Bühnencome­back glaubte er Verzicht leisten zu dürfen. In seiner letzten Burgrolle hatte er 1996 einen cholerisch­en Ballettmei­ster in bunten Strümpfen spielen müssen. Die Strumpfhos­en bleiben im Kasten. Seinen Zorn hat Franz Morak jetzt wieder in die Kehle gelegt, für sein erstes Album nach 25 Jahren.

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Foto: APA Franz Morak, ehemaliger Burgmime und Politiker, hat ein neues Album.

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