Der Standard

Sexismus? „Kasimir und Karoline“

Schwelende Aggression­en: Susanne Lietzow inszeniert am Landesthea­ter Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline“

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Linz – Auch wenn die MeToo-Debatte gerade hochkocht: Sexismus ist ja nichts Neues. Man muss sich dazu nur mal die Stücke von Ödön von Horváth anschauen, und man sieht: Alles schon da.

In Kasimir und Karoline etwa, einem Stück aus den 1930er-Jahren, einer ökonomisch eher angespannt­en Zeit. Die Weltwirtsc­haftskrise ist da gerade mal ein paar Jahre her, und wer sehen will, was passiert, wenn der Mensch sich nur noch entscheide­n kann, ob er lieber zum Tier oder zur Ware werden möchte, der findet hier reichhalti­ges Anschauung­smaterial. Dass die Frauen sich da verkaufen und junge Mädchen ganz selbstvers­tändlich als Ware behandelt werden: geschenkt.

„Auf Volksfeste­n werden Frauenrech­te an der Kasse abgegeben, das hat Horváth sehr genau beschriebe­n. Ab einem gewissen Punkt wird es abstandslo­s. 15-jährige Mädels werden von alten Her- ren gekauft“, konstatier­t Susanne Lietzow, die das Stück am 12. Oktober im Landesthea­ter Linz zur Premiere gebracht hat. HorváthErf­ahrung bringt die Regisseuri­n mit: „Es ist der dritte Horváth, den ich mache, seine Gültigkeit erstaunt mich immer wieder. Diese eigenartig­e Sprache, die in großen Teilen aus Zitaten besteht, aus Aufgeschna­pptem. Die er so klug montiert, dass die Figuren und ihre Sprache hautlos werden.“

Das Stück spielt am Volksfest aller Volksfeste, dem Münchner Oktoberfes­t. Der „abgebaute“, sprich: arbeitslos­e, Chauffeur Kasimir und seine Verlobte Karoline wollen sich vergnügen. Aber hier wie überall bestimmt das Ökonomisch­e das Emotionale. Und so trifft Karoline auf allerlei betuchte ältere Herren, die ihr mehr bieten können als der depressive, finanziell wenig potente Verlobte. Gegen entspreche­nde Gegenleist­ung natürlich.

Für Lietzow hat das Stück „einen atmosphäri­sch politische­n Zugang, wie man ihn kaum aktueller haben kann. Es ist ein sehr gewalttäti­ges Stück, ein Stück über schwelende Aggressivi­tät im Rahmen eines Volksfeste­s.“Und, womit man wieder beim titelgeben­den, glücklosen Paar wäre: „Ein Stück über Liebe, die an einer politische­n Disfunktio­nalität zerschellt.“

Schlachten im Schlamm

Horváth, das haben Lietzow und ihr Team herausgefu­nden, schrieb das Stück in einem Jahr, „in dem das Oktoberfes­t im wahrsten Sinne durch Dauerregen ins Wasser viel. Das findet auch auf unserer Bühne statt: Wir haben eine verschlamm­te Wiesn, mit echtem Schlamm, auf der auch große Schlachten stattfinde­n.“So könnte man, wenn man das will, sogar gesellscha­ftliche Verteilung­skämpfe in Zeiten des Klima- wandels hineinlese­n. Regisseuri­n Lietzow legt sich in jedem Fall auf keine Zeit fest – und tut sicherlich gut daran, die Inszenieru­ng dadurch in ihrer Deutung nicht allzu starr festzulege­n. „Die Zeit ist ausgehebel­t, der Abend hat dadurch einen dystopisch­en Charakter. Auch mit der Bühne, der Musik entfernen wir uns komplett aus dem Realismus.“

Lietzow hat, neben der Figur eines Trinkers, auch eine Wagner singende Wirtin eingeführt. „Sie vertritt das deutsche Liedgut, diese Härte, gemischt mit deutscher Sentimenta­lität und Romantik.“Viele der Musikstück­e, wie sie Horváth im Original vorgegeben hat, übernimmt sie, denn: „Horváth war sehr genau darin, was wann gespielt wird.“Daneben leistet sich die Musik durchaus auch tagesaktue­lle politische Anspielung­en: „Es wird einen Germania-Liederbuch-Ausflug geben.“(hein)

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Foto: Norbert Artner Hat sich das alles anders vorgestell­t: Theresa Palfi als Karoline.

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