Schocker, Exotik und schicksalsschwere Tragödie
Opernprogramm am Landestheater Linz: Musiktheater für Teenager und großes Drama
Linz – Viele Opernhäuser machen es sich leicht. Man setzt die altbekannten Publikumsrenner auf den Spielplan, präsentiert sie von Zeit zu Zeit in einem neuen szenischen Kleid, und das war’s. Das Musiktheater mutiert so zum Museum, das ab und zu einen frischen Anstrich bekommt, damit man nicht merkt, dass die Exponate darin schon seit mehr als hundert Jahren die gleichen sind.
Das Landestheater Linz geht diesen leichten Weg nur selten. Intendant Hermann Schneider bemüht sich wie schon sein Vorgänger Rainer Mennicken um ein Opernrepertoire, das nicht nur am Puls der Zeit ist, sondern sich auch mit der Geschichte des Bundeslandes auseinandersetzt. Man erinnere sich diesbezüglich an die Opernuraufführungen von Philip Glass’ Kepler oder Ernst Ludwig Leitners Fadinger oder Die Revolution der Hutmacher.
In dieser Spielzeit gab es in der BlackBox, einen Tag nach der ersten Opernpremiere von Wagners Tristan und Isolde, wieder ein Auftragswerk zu erleben: Christian Diendorfers Kammeroper Die Wand, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Marlen Haushofer. In ihrem 1963 veröffentlichten Hauptwerk erzählt sie von einer rätselhaften Robinsonade in den Bergen, stimmt einen Hochgesang auf den Solipsismus an.
Mit der deutschen Erstaufführung von Gerhard Stäblers Musiktheater Simon lockt das Landestheater gerade die Linzer Teenager in die BlackBox. Im Libretto von Christopher Grøndahl geht es um zwei jugendliche Außenseiter, Simon und Mia, die zueinanderfinden. Mit nur zwei Instrumenten (E-Geige und Schlagwerk) gelingen Stäbler aufregende, gegenwartsnahe Klangreisen: eine tolle Sache. Eine große Oper im Kammermusikformat wollte Peggy GlanvilleHicks mit ihrem Einakter The Transposed Heads schreiben. Das 1954 uraufgeführte Werk basiert auf Thomas Manns Novelle Die vertauschten Köpfe und bietet ab Ende November exotische Klangszenarien mit Gongs und Xylofon sowie reichlich Melismen und Quinten.
Emotionaler Infight
Ein richtiger Kracher für den Großen Saal dürfte Othmar Schoecks Penthesilea werden. Der Schweizer Komponist hat den emotionalen Infight zwischen der Amazonenkönigin und dem griechischen Kriegshelden Achill in den späten 1920er-Jahren auf äußerst expressive Weise vertont: Große Erregung! Noch größeres Drama! Motto: „Hetzt alle Hund’ auf ihn!“Trotz clusterartiger, grenzkakofonischer Dissonanzballungen ist das Werk aufgrund seiner melodramatischen Anlage von abwechslungsreicher, leicht fassbarer Gestalt.
Richard Strauss’ zappendusterer Einakter Elektra war mutmaßlich eine wichtige Inspirationsquelle für Schoecks Schocker: Wie gut, dass die schicksalsschwere Tragödie ab Mitte Jänner auf dem Spielplan steht. Strauss, der ewige Romantiker, hat sich mit seiner Elektra so weit in die wüste Klangwelt der modernen Tonreibungen vorgewagt wie in keinem seiner Musiktheaterwerke. Ein Klassiker, trotzdem. (sten)