Antlitz des Zeitgeists
Berühmt ist August Sander für seine kargen, archaischen, Authentizität vermittelnden, aber ziemlich statisch anmutenden Fotoserien gesellschaftlicher Typologien. Sanders (1876–1964) Anspruch war es, exemplarisch ein Gesamtbild der „Menschen des 20. Jahrhunderts“zu erstellen. Tausende Einzel- und Gruppenporträts, nach beruflichen, sozialen, familiären Gesichtspunkten sortiert, sollten das „Antlitz der Zeit“dokumentieren. Seine signifikanten Motive zählen zu den wesentlichen Vertretern des kollektiven fotografischen Gedächtnisses. Die nun im Original exhumierten Vintage-Prints zeigen zudem die kunsthistorische Dimension des reichen OEuvres. Die feinen grafischen Differenzierungen, die der Künstler durch handwerklichen Umgang in der Dunkelkammer mittels Auswahl von Fotopapier und Belichtung geschaffen hat, erhöhen die Sensibilität des künstlerischen Valeurs abseits des materiellen Werts. Viele der Meisterwerke – dieser wunderbare Charme des Analogen! – zeugen auch von Leichtigkeit, Verve und Empathie, oszillierend zwischen Hedonismus und Verderbnis, Überfluss und Ausbeutung, Geist und Ungeist. Gregor Auenhammer
August Sander, „Meisterwerke“. Hrsg.: Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur. € 59,70 / 200 Seiten. Schirmer/MoselVerlag, München 2018. Tipp: Die gleichnamige Retrospektive zeigt die SK Stiftung Kultur in Köln bis 27. Jänner 2019.