Der Standard

Im Winter zieht es hier unfassbar

Start-up-Gründer und Neo-Landwirt Jakob Schmied hat sich einen alten Bauernhof mit Blick auf Linz umgebaut. Er wünscht sich aber, dass irgendwann anstelle des alten Gebäudes ein Haus steht, das man gar nicht mehr sieht.

- PROTOKOLL: Franziska Zoidl

Vor fünf Jahren hat sich meine Familie mit diesem Bauernhof oberhalb von Linz einen Traum erfüllt. Ursprüngli­ch hatten wir allerdings gar nicht vor, ihn auch zu bewohnen. Das Gebäude war damals nämlich sehr herunterge­kommen.

Der Hof wurde 1900 als Auszugsbau­ernhof vom Mutterbaue­rnhof nebenan gebaut. Er war quasi die Mitgift für die Tochter des Bauern. Leider ist er dann 1950 fast komplett abgebrannt. Dieser Teil hier ist der einzige, der übrig geblieben ist. Vor drei Jahren hatte ich plötzlich einen nächtliche­n Geistesbli­tz: ob man aus dieser Wohnung, die ja bereits vorhanden war, nicht doch etwas machen könnte? Gut geschnitte­n war sie ja.

Gemeinsam mit meiner damaligen Freundin und einem befreundet­en Innenarchi­tekten habe ich die 150 Quadratmet­er große Wohnung dann in drei Monaten umge- baut. Mir war wichtig, die Charakteri­stik zu erhalten.

Grundsätzl­ich bin ich sehr designverl­iebt. Mir gefällt SchwarzWei­ß, ich mag es clean. Hier war klar, dass das nicht funktionie­rt, weil ein Bauernhof nicht clean ist. Der Bauernhof ist etwas Verspielte­s, Farbiges, hier blüht viel. Mir waren Farben wichtig, die harmoniere­n. An den Wandfarben habe ich lange getüftelt.

Bei den Möbeln habe ich auf einen Mix aus Alt und Neu gesetzt. Ich habe alte Stücke mit Designklas­sikern kombiniert. Also zum Beispiel Bauerntruh­en und Schränke von meiner Oma mit Vitra-Sesseln oder einem Eames Lounge Chair. Ich habe cleane Oberfläche­n mit Materialie­n wie Wollteppic­hen, Schaffelle­n und Loden gepaart. Ich wollte viele für Österreich typische Materialie­n verwenden.

Bei den Möbeln kommt mal etwas dazu und dann wieder weg. Ich nehme immer wieder etwas mit, wenn ich verreise. Es darf schon wachsen hier. Und es gibt einige Räume, mit denen ich noch nicht zufrieden bin. Mit meinem Schlafzimm­er etwa.

An den Wänden hängt bei mir nur wenig. Ich mag Kunst und fotografie­re, aber nicht so, dass ich es mir an die Wand nageln will. Ich schaue aus dem Fenster, das reicht mir. Das ist ja eh ein Bild, das jeden Tag anders ist. Heute ist es eher bewölkt, ein anderes Mal erstrahlt Linz im Abendrot. Ich sitze hier in der heiligen Ruhe und schaue hinunter auf die rauchenden Schlote der Voest. Das ist schon etwas Besonderes.

Beim Umbau haben wir einige Spuren von früher entdeckt. Von der Wand im Wohnzimmer habe ich den Putz von den alten Ziegeln runtergesc­hlagen und dabei neuere Ziegel entdeckt. Dahinter haben wir eine alte Stiege gefunden, die ins Nichts führt. Die niedrige Raumhöhe war am Anfang ge- wöhnungsbe­dürftig. Ich habe mir durch meine Körpergröß­e bei jeder zweiten Tür den Kopf angeschlag­en. Aber nach zwei Monaten geht man gebückt durch die Tür. Das ist okay, weil das der Charme eines alten Bauernhofe­s ist. Auch die Kastenfens­ter haben einen Charme, obwohl es im Winter unfassbar zieht.

Recht viel besser als diese Wohnung geht es für mich nicht. Aber ich weiß, dass ich nicht ewig hier wohnen werde, weil der Hof irgendwann adaptiert werden muss. Die Substanz ist nicht gut. Und es ist dekadent, in einem Riesengebä­ude zu leben, das so viel Fläche versiegelt, gleichzeit­ig aber unpraktisc­h für die Landwirtsc­haft des 21. Jahrhunder­ts ist. Wenn man intelligen­t baut, dann kann man Grundfläch­e einsparen und bekommt mehr dafür.

Wir können den Innenhof unseres Vierkanter­s kaum nutzen, weil die Sonne kaum reinkommt. Wir nutzen weder unser Holz, die Sonne, die Erdwärme, noch das Wasser. Diese Wohnung ist für mich also nur eine Zwischenlö­sung. Für die Zukunft braucht es ein Gesamtkonz­ept. Ich wünsche mir, dass sich unser Hof in der Zukunft so gut in die Landschaft einfügt, dass man ihn gar nicht mehr sieht.

 ??  ?? „Die niedrige Raumhöhe war am Anfang gewöhnungs­bedürftig. Ich habe mir bei jeder zweiten Tür den Kopf angeschlag­en.“Jakob Schmied in seiner Wohnung im Bauernhof.
„Die niedrige Raumhöhe war am Anfang gewöhnungs­bedürftig. Ich habe mir bei jeder zweiten Tür den Kopf angeschlag­en.“Jakob Schmied in seiner Wohnung im Bauernhof.

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