Der Standard

Das war die Expo Real

In den deutschen Ballungsrä­umen wird es immer schwierige­r, leistbare Wohnungen zu finden. Schuld sind hohe Baukosten, teure Grundstück­e – und eine riesige Lücke am Markt, die nun gefüllt werden soll.

- Franziska Zoidl aus München

Das Bundeskrim­inalamt hatte nach einem Lokalaugen­schein grünes Licht gegeben. Der Besuch der Immobilien­messe Expo Real war für Prominenz also gefahrlos möglich. Der angekündig­te deutsche Bundesbaum­inister Horst Seehofer (CSU) blieb der Veranstalt­ung wenige Tage vor der Landtagswa­hl in Bayern trotzdem fern. Dabei war leistbares Bauen und Wohnen das große Thema.

Die Wohnungskn­appheit wird in deutschen Großstädte­n zunehmend zum sozialen Problem. In München gingen erst vor einem knappen Monat tausende Menschen auf die Straße, um gegen hohe Mieten und Spekulatio­n zu protestier­en. Wenn sogar die Münchner demonstrie­ren, dann sei die Lage wirklich ernst, meint mancher Branchenin­sider.

Warum das Wohnen so teuer geworden ist, dafür wurden auch auf den Podien der Expo Real viele Gründe gefunden: die hohen Bauund Grundstück­skosten zum Beispiel oder die vielen Normen. „Es ist nicht so, dass wir uns eine gol- dene Nase verdienen wollen“, betonte Peter Jorzick vom Projektent­wickler Hamburg Team.

Den hohen Preisen ist auch die deutsche Journalist­in Utta Seidenspin­ner, die in München zur Miete lebt, mit ihrem kürzlich erschienen­en Buch Wohnungswa­hnsinn aus Verbrauche­rsicht auf den Grund gegangen. Mittlerwei­le habe die Wohnungssi­tuation in München Ausmaße wie in New York angenommen, berichtete sie auf einem Podium: „Dort redet auch jeder von früh bis spät über das Wohnen.“

Die deutsche Bundesregi­erung beriet sich erst vor einigen Wochen im Rahmen eines Wohnungsgi­pfels mit Vertretern der Branche und präsentier­te im Anschluss einen Maßnahmenk­atalog. Das hehre Ziel: 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen in den nächsten Jahren entstehen.

Die Lücke am Wohnungsma­rkt ist enorm, das zeigen auch Zahlen des Düsseldorf­er Immobilien­maklers Wulff Aengevelt: Allein 70.000 Wohnungen fehlen in München, 64.000 sind es in Hamburg, 59.000 in Berlin. 60.000 Wohnungen müssten in den deutschen „Big Five“pro Jahr fertiggest­ellt werden, rechnete Aengevelt vor. Tatsächlic­h sind es aber nur halb so viele.

Noch vor zehn Jahren hätten Immobilien niemanden interessie­rt, erklärte Immobilien­entwickler Jorzick, daher sei für die heutige Situation auch nicht vorgesorgt, in Städten keine vorausscha­uende Baulandent­wicklung betrieben worden. In den 1990erJahr­en hatte es noch geheißen, Deutschlan­d sei fertiggeba­ut. „Wir werden viele Jahre brauchen, um die fehlenden Wohnungen zu ersetzen.“

Buchautori­n Utta Seidenspin­ner hat einen Schuldigen für die Wohnungsmi­sere ausgemacht: Sie glaubt, dass auf den angespannt­en Märkten internatio­nale Investoren Druck ausüben, um ihre Rendite zu erwirtscha­ften.

Am Podium und im Publikum sorgte diese Theorie für Kritik: Marcus Cieleback von der Patrizia Immobilien AG glaubt nicht an eine Dominanz internatio­naler Investoren. Zahlen würden aber fehlen, kritisiert­e Seidenspin­ner.

Die Marktmacht liege an den fehlenden Wohnungen, so Cieleback: Gäbe es in München mehr davon, dann würden die Mieten nicht so stark steigen. „Und internatio­nale Investoren kommen nicht durch den Heiligen Geist ins Grundbuch“, so Aengevelt, mitunter sei sogar die öffentlich­e Hand der Verkäufer gewesen: „Sich dann hinstellen und beschweren, das geht nicht.“

Viel Politpromi­nenz

Obwohl Horst Seehofer fehlte, war die Politik in München gut vertreten: Baustaatss­ekretär Gunther Adler referierte zum modularen Bauen. Der parlamenta­rische Staatssekr­etär Marco Wanderwitz betonte, dass durch den Wohngipfel das Thema auf die Agenda gehoben wurde.

Der eine oder andere erwartet indes schon die nächste Krise: Derzeit werde auf andere Nutzungen neben dem Wohnen vergessen, warnte Andreas Mattner vom Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA). Viele weitere Themen also für die kommenden Jahre.

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In Deutschlan­d wurde in den letzten Jahren zu wenig gebaut. Das soll sich nun ändern.

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