CSU und SPD stürzen in Bayern ab, Grüne auf Platz zwei
AfD schafft Einzug in den Landtag Söder will Ministerpräsident bleiben
München – Desaster für die deutschen Regierungsparteien bei der Landtagswahl in Bayern: Sowohl die Unionspartei CSU als auch die SPD verloren beim Urnengang am Sonntag massiv. Die bisher mit absoluter Mehrheit regierende CSU erlitt mit rund 36 Prozent, einem Verlust von rund zwölf Prozentpunkten, das schlechteste Ergebnis seit 60 Jahren. Für die Sozialdemokraten kam es noch schlimmer als erwartet: Sie kreuzten nur knapp zehn Prozent der Wahlberechtigten an, ein Minus von zehn Prozentpunkten gegenüber 2013. Die SPD ist nur noch fünftstärkste Kraft im Landtag in München.
Ein umgekehrtes Bild gab es dagegen bei den Grünen: Sie er- reichten rund 18 Prozent der Stimmen und legten damit knapp zehn Prozentpunkte zu. Um Platz vier lieferten sich nach ersten Schätzungen die Freien Wähler ( FW) und die AfD ein Rennen, beiden wurden rund elf Prozent vorhergesagt. Die AfD zieht damit erstmals in den bayerischen Landtag ein, bleibt aber hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Nicht im Landtag sahen die ersten Vorhersagen die Linken. Die FDP lag rund um die Fünf-Prozent-Hürde. Wesentlich höher als beim letzten Urnengang 2013 lag die Beteiligung: Sie legte um rund neun Punkte zu und lag um die Marke von 72 Prozent.
Das Ergebnis stellt den Wahlsieger CSU vor schwierige Koalitionsverhandlungen. Weil eine Koalition zwischen CSU und den ideologisch ähnlichen FW allenfalls eine knappe Mehrheit hätte, wurde auch über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis gesprochen. Alle anderen Zwei-ParteienKoalitionen sind politisch so gut wie ausgeschlossen.
Söder sagte, es handle sich um ein „bitteres Ergebnis“, die CSU habe aber „einen klaren Regierungsauftrag“. Er will Ministerpräsident bleiben. Parteichef und Innenminister Horst Seehofer schloss einen Rücktritt nicht aus. Viele in der CSU machen die Bundesregierung mitverantwortlich. Auch SPD-Chefin Andrea Nahles sieht die Schuld bei der „schlechten Performance“der Koalition in Berlin. (red)
Das Foyer des Bayerischen Landtages entfaltet einen Prunk, der vielen in der CSU immer gut gefallen hat. Zum einen hängt dort ein riesengroßer Jesus an einem gewaltigen Kreuz. Zum anderen ist auf einem ebenfalls ausufernden Gemälde die Krönung von Karl dem Großen im Jahr 800 zu sehen.
Doch an diesem Wahlsonntag wirkt beides wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Denn nun werden im Bayerischen Landtag neue Zeiten anbrechen. Die CSU hat bei der Wahl ein äußerst schlechtes Ergebnis erzielt, das seit Wochen befürchtete und erwartete Ergebnis ist eingetreten, sie sackte um mehr als zwölf Punkte ab. Auch die absolute Mehrheit ist verloren.
Viele sind an diesem Tag ins Maximilianeum, wie der Landtag genannt wird, gekommen, an die tausend Journalisten aus aller Welt – auch aus Tokio und den USA – haben sich akkreditiert. Es geht nicht bloß um eine deutsche Landtagswahl, sondern eben um Bayern – das Land, in dem die Uhren lange, lange Zeit anders tickten als im Rest von Deutschland und auch Europa. Denn die CSU hatte im Jahr 2013 noch 47,7 Prozent erreicht.
Doch die kamen, müssen sich gedulden. Schon am Nachmittag ist es in den Räumen der CSU-Fraktion rappelvoll. Allerdings lässt sich kein „Promi“blicken. Man hat sich verbarrikadiert und harrt des bevorstehenden Grauens. Draußen wird oberbayerischer Schweinsbraten samt Krautsalat serviert. Die Erste, die sich vor die Journalisten wagt, ist die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU).
„Können nicht zufrieden sein“
„Wir haben gekämpft, aber wir können mit diesem Ergebnis natürlich nicht zufrieden sein“, sagt sie und räumt ein: „Offensichtlich sind wir kommunikativ nicht durchgedrungen.“Man habe den Menschen nicht klarmachen können, dass Bayern eigentlich eine gute Regierung habe und auch sehr gute Wirtschaftsdaten vorweisen könne.
Gefragt, wie es denn nun in der CSU weitergehe und ob entweder Ministerpräsident Markus Söder (CSU) oder CSU-Chef Horst Seehofer zurücktreten sollte, antwortet sie: „Ich würde nicht dazu raten, persönliche Fragen zu diskutieren. Wir müssen erst einmal das Wahlergebnis analysieren.“Schließlich habe die CSU im Bayerischen Wald anders abgeschnitten als in Franken.
Ihre eigene Erklärung für das schlechte Abschneiden der CSU: „Wir sind in einem bundesweiten Trend mitgefangen.“Denn von den Resultaten sei auch die „große Koalition insgesamt betroffen gewesen“.
Immerhin kann Aigner dem Ergebnis auch etwas Positives abgewinnen: „Wir sind beauftragt, Regierungsverantwortung zu übernehmen und Koalitionsverhandlungen zu führen.“Aigner kündigt an, mit allen Parteien zu reden – „außer mit der AfD“. Wenig später erscheint auch Söder, der sichtlich geknickt wirkt. Dennoch bekommt er Applaus von seinen Parteifreunden. „Natürlich ist das heute kein einfacher Tag für die CSU. Wir haben ein schmerzhaftes Ergebnis erzielt. Wir nehmen dieses mit Demut an.“Auch er erklärt, das Ergebnis zu analysieren. Zugleich gelte es eine „stabile Regierung“zusammenzustellen.
Bittere Niederlage für die SPD
Der SPD, die 2013 schon schwache 20,6 Prozent erreicht hatte, erging es nicht besser. Sie hatte es schon immer schwer, sich neben der CSU zu profilieren, schnitt traditionell in den Städten wie München und Nürnberg besser ab. Doch dort haben zuletzt die Grünen erfolgreich „wildern“können. Sie waren vielen als die attraktivere Alternative als die SPD erschienen. Die Sozialdemokraten halbierten sich.
„Das ist eine sehr bittere Niederlage für die SPD, es ist bei weitem nicht das Ergebnis, das wir erhofft hatten“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Er sieht „ein klares Signal aus Bayern an Berlin“: Die Regierungsparteien, die im Bund Verantwortung tragen, „haben keine gute Arbeit gemacht“. Er gratuliert außerdem den Grünen, die weit vor der SPD liegen.
Diese sind ganz klar die Gewinner des Abends. 2013 hatten sie 8,6 Prozent erreicht. Spitzenkandidatin Katharina Schulze war bei der Stimmabgabe in einem TShirt mit der Aufschrift „Mi Heimat es su Heimat“erschienen. Der Mix aus Spanisch und Deutsch bedeutet: „Meine Heimat ist deine Heimat“und spielt auf die spanische Redewendung „Mi casa es su casa“(Mein Haus ist dein Haus) an. Im Wahlkampf hatten die Grünen für einen gemäßigten Ton in der Asylpolitik plädiert.
„Die Freude ist riesig, man kann das Ergebnis nichts anders als historisch nennen“, freut sich am Wahlabend der grüne Bundes-Chef Robert Habeck, der stark im bayerischen Wahlkampf mitgemischt hatte. Die Wähler in Bayern hätten „die Veränderung gewählt“. Jetzt müsse man „schauen, ob das bei allen angekommen ist“– ein Hinweis darauf, dass die Grünen nicht automatisch mit der CSU koalieren werden.
Grüne zweitstärkste Kraft
Sie sind nun zweitstärkste Kraft, an der Regierungsbildung an ihnen vorbeizukommen könnte für die CSU schwierig werden. Weder CSU noch Grüne haben eine Zusammenarbeit vor der Wahl explizit ausgeschlossen. Doch es gibt große Hürden. Die Grünen lehnen drei zentrale Punkte ab, die der CSU aber sehr wichtig sind: die eigene bayerische Grenzschutzpolizei, das Polizeiaufgabengesetz und die Kruzifixe in den Amtsstuben.
Kurz vor der Wahl hatte Söder allerdings erklärt, mit der CSU seien weder Änderungen bei der Polizei zu machen, noch denke man daran, in öffentlichen Gebäuden Kreuze wieder abhängen zu lassen. Erst im Frühjahr hatte er verfügt, dass in allen öffentlichen Gebäuden sichtbar im Eingangsbereich ein Kruzifix hängen müsse.
Noch am Wahlabend zeigt Söder allerdings eine Präferenz für eine „bürgerliche Koalition“, also ein Bündnis mit den Freien Wählern, wenn es für dieses reicht.
AfD will starke Vertretung sein
Wie erwartet, zieht auch die AfD locker zum ersten Mal in den Landtag ein. Sie war ohne Spitzenkandidaten angetreten, zum Star innerhalb der bayerischen Partei hat sich die vierfache Mutter Katrin EbnerSteiner aus dem niederbayerischen Deggendorf entwickelt. Sie fordert als Grenzschutz zwischen Österreich und Deutschland Zäune. In den letzten Tagen des Wahlkampfes hatte Söder noch tagtäglich vor der BayernAfD gewarnt und betont, dass diese im AfDSpektrum ganz rechts außen anzusiedeln sei. „Ich bin richtig stolz“, freut sich EbnerSteiner am Sonntag. Den AfD-Wählerinnen und -Wählern versprach sie, „eine starke Vertretung im Landtag zu sein“.
Nach dem schlechten Abscheiden der CSU ist nun die Frage, die alle bewegt: Wie geht es in der CSU weiter? Vor der Wahl schon hatten sich Söder und Seehofer gegenseitig die Schuld am Debakel zugeschoben. Söder hatte erklärt, die Vorgänge in Berlin seien nicht hilfreich gewesen, Seehofer gemeint, für den Wahlkampf, der sich im Übrigen um Bayern drehe, sei Spitzenkandidat Söder verantwortlich.
Die Bild- Zeitung berichtete am Sonntag von einem angeblichen Geheimplan der beiden. Beide, so hieß es, hätten vereinbart, sich nicht Knüppel zwischen die Beine zu werfen und auf gegenseitige Schuldzuweisungen oder gar Rücktrittsforderungen zu verzichten. Allerdings verlautete auch, dieser „Burgfrieden“solle nur gelten, wenn die CSU nicht unter 33 Prozent rutscht. So schlimm war es dann ja nicht gekommen.
Söder hatte auch mit persönlich schlechten Werten im Wahlkampf zu kämpfen. Er ist der unbeliebteste Ministerpräsident in Deutschland, seine Zustimmungswerte liegen nur bei 52 Prozent. Zum Vergleich: Seehofer hatte, als er noch im Amt war, 75 Prozent Zustimmung erreicht.