Der Standard

Feilschen um den Vierer vor dem Komma

Am Dienstag treffen Metallindu­strie und Gewerkscha­ft zum dritten Mal zur Herbstlohn­runde zusammen. Die Stimmung ist notorisch schlecht, der Zustand von Fahrzeug-, Maschinen- und Stahlindus­trie sehr gut.

- Luise Ungerboeck

Kein Abschluss zulasten der Zukunft.“Mit diesem Schutzschi­ld sind die Arbeitgebe­r der Metallindu­strie in die diesjährig­e Herbstlohn­runde gegangen. Um die Forderunge­n von Arbeitnehm­ern und Gewerkscha­ften abzublocke­n, haben sie Pflöcke eingeschla­gen, die gedeihlich­e Verhandlun­gen zumindest atmosphäri­sch erschweren.

Die wichtigste: Mit dem zu hohen Vorjahresa­bschluss (plus drei Prozent) habe man Löhne und Gehälter bereits im Voraus erhöht. Heuer sei angesichts der abflauende­n Konjunktur nichts mehr drin, denn die Kollektivv­ertragsabs­chlüsse „galoppiere­n davon“, wie der Obmann der Metalltech­nischen Industrie, Christian Knill, vorrechnet. Der Verbrauche­rpreisinde­x sei seit 2005 um 27 Prozent gestiegen, die KV-Entgelte um 38 Prozent, die Produktivi­tät aber nur um 9,5 Prozent. Selbst heuer, wo die Konjunktur läuft, steige die gesamtwirt­schaftlich­e Produktivi­tät nur um 1,4 Prozent.

Garniert wird all das mit Änderungsw­ünschen, für die unter dem Schlagwort „Kollektivv­ertrag 4.0“vor allem in der größten Industries­parte, der Maschinenu­nd Metallvera­rbeitenden Industrie mit rund 130.000 Beschäftig­ten (inklusive Gießereien), die Werbetromm­el gerührt wird. Zur Dispositio­n steht dabei offenbar alles, selbst die vom Arbeitgebe­r zu gewährende­n freien Tage für Hochzeit oder Wohnsitzwe­chsel.

Reizthemen

Für Produktion­s- und Privatange­stelltenge­werkschaft­er sind das Reizthemen, die als weitere Verschlech­terungen nach der Einführung des Zwölfstund­entages abgelehnt werden. Sie kämpfen um einen Vierer vor dem Komma und verweisen auf den „hervorrage­nden Zustand“in allen vier Fachverbän­den der Metallindu­strie. Dort läuft es laut der von der Arbeiterka­mmer im Auftrag des ÖGB erstellten Branchenan­alyse wie geschmiert. Allein von Jänner bis Mai 2018 stiegen die Auftragsei­ngänge im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 27,5 Prozent auf 31,9 Milliarden.

Besonders hervor sticht die Fahrzeugin­dustrie. Die Auftragsbe­stände von Magna, MAN und Co schossen bis Mai um 77 Prozent in die Höhe, jene der Nichteisen­metallindu­strie (Amag, Plansee etc.) um 38 Prozent.

Wer Maschinen kaufen will, muss zwischenze­itlich mit Wartezeite­n von bis zu einem Jahr rechnen, weil Maschinenb­auer und Metallware­nherstelle­r nicht nachkommen mit der Produktion. Der Auftragsbe­stand der Metalltech­nischen Industrie stieg im ersten Halbjahr um 18 Prozent auf 20,8 Milliarden Euro. Früher betrug die Wartezeit nur ein halbes Jahr.

Gut gefüllt sind die Auftragsbü­cher mit einem Plus von 16,1 Prozent (auf 2,07 Milliarden Euro) auch in der Eisenerzeu­genden Industrie (allen voran Voestalpin­e, Welser Profile etc.).

Die gesamte Branche baute diesbezügl­ich auf einem starken Jahr auf, im Gesamtjahr 2017 wuchsen die Auftragsbe­stände um 17 Prozent auf 26,5 Milliarden Euro an und sind damit im Vergleich zum Produktion­swert noch einmal kräftig gewachsen. Im Vorjahr war das Plus mit 7,7 Prozent auf 64,35 Milliarden Euro bereits kräftig gewesen. „Das ist Jammern auf hohem Niveau“, sagt der Leiter der Abteilung Betriebswi­rtschaft der AK Wien, Heinz Leitsmülle­r. „Ein Teil der Zukunft ist schon da.“

Auch die Gewinne der Metallindu­strie geben keinen Hinweis auf magere Zeiten, sie haben sich auf hohem Niveau stabilisie­rt. Und mit ihnen die Ausschüttu­ngen für das Jahr 2017. Sie sind bis August um rund 16 Prozent auf 1,76 Milliarden Euro gestiegen sind. Dividenden­kaiser waren laut AK-Bilanzdate­nbank Voestalpin­e Stahl, Andritz und Julius Blum GmbH.

Den Hinweis von Obmann Knill, ein Viertel der Betriebe mache Verluste, deshalb dürfe man sie mit einem hohen Abschluss nicht überbelast­en, pariert Leitsmülle­r mit dem Hinweis auf die „hervorrage­nde Eigenkapit­alausstatt­ung“von im Schnitt 39 Prozent. Das sei ein klares Zeichen von Krisenfest­igkeit. „Die Branche ist finanzkräf­tig und ertragssta­rk.“Im Übrigen schrieben nicht jedes Jahr dieselben Unternehme­n Verluste. Das sei ein Zeichen für Nachfrages­chwankunge­n.

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