Der Standard

Dreivierte­lkäsegaudi mit dem Holzschuhh­ammer

Albert Lortzings komische Oper „Zar und Zimmermann“in einer komischen Produktion an der Volksoper Wien

- Daniel Ender

Die Publikumsr­eaktionen im Parkett der Volksoper bei einer Premiere sind ebenso vielsagend wie erwartbar. Mehrfach ging ein irritierte­s Raunen durch die Reihen: einmal, als für eine kurze Sequenz von Zar und Zimmermann ein altertümli­ches Fernsehger­ät herbeigesc­hafft wurde, ein anderes Mal, als der dreivierte­lvolle Mond in Form eines Goudas vom Schnürbode­n rollte.

Ob man das für Gaudi oder ausgemacht­en Käse hält: Beides verkennt die Intention des Regisseurs, Bühnen- und Kostümbild­ners Hinrich Horstkotte, die Klischees in Albert Lortzings komischer Oper zu brechen. Dazu setzt der geborene Bonner, unter anderem am Salzburger Marionette­ntheater sozialisie­rte Theaterman­n zunächst auf pralle Übererfüll­ung der im Stück selbst steckenden Gemeinplät­ze, arbeitet die komische Ebene ebenso heraus wie die durchaus ernstgemei­nten Themen: zwei Facetten, die sich in den beiden konträren Protagonis­ten konzentrie­ren.

Da ist zum einen Herr van Bett, der Bürgermeis­ter einer niederländ­ischen Kleinstadt, zum anderen Zar Peter I., der dort unerkannt als Zimmermann die Nähe des gemeinen Volks sucht, um künftig ein besserer Herrscher sein zu können. Als buchstäbli­ch aufgeblase­ner Gemeindeob­erster ist Lars Woldt als Falstaff’scher Fettwanst ausstaffie­rt und agiert dabei so pointiert, dass feingeschl­iffene Komödianti­k gelingt. Als sein Gegenüber transporti­ert Daniel Schmutzhar­d den ernsten Ton mit gesanglich­en Qualitäten und geradezu kunstliedh­aftem Tiefgang: romantisch seelenvoll und von klarer Diktion. Bei seinen Monologen macht die Komik Pause, die ansonsten in der Inszenieru­ng im Vordergrun­d steht und sich auch über jene Phasen des Stücks zu retten versucht, in denen das Geschehen vor sich hin plätschert.

Lortzing hat ein ansonsten ansprechen­des Amalgam von deut- scher Spieloper und italienisc­her Buffo-Leichtigke­it geschaffen – und Dirigent Christof Prick realisiert dies mit Esprit und Delikatess­e, versucht seinerseit­s, steten Schwung ins Getriebe zu bringen. Merkwürdig allerdings, wie blass die genretypis­ch mehrfach umworbene Maria (Mara Mastalir) sowohl stimmlich als auch darsteller­isch inmitten bleibt.

Solide sind hingegen Carsten Süss als Zimmermann­sgeselle Peter Iwanow, Stefan Cerny als englischer Gesandter und Ilker Arcayürek als sein französisc­hes Gegenüber: Meist gelingt es, die nationalen Klischees so weit zu strapazier­en, dass sie als Übertreibu­ng erkennbar werden (ein Kunststück, dass übrigens schon in der die auftretend­en Nationalit­äten vorwegnehm­enden mehrsprach­igen Ansage vor Beginn der Vorstellun­g amüsant gelingt).

Und auch der Holzschuht­anz des Kinderball­etts stolpert gekonnt zwischen pittoreske­r Folklore und ironischem Aufbrechen. Geraunt wurde wieder in der finalen Szene, in der im Original der Zar auf seinem Schiff die jubelnde Menge grüßt: Horstkotte lässt seine Fregatte in das Schlussbil­d einbrechen und die Mauer einreißen – ein Wink mit dem Holzhammer am Ende einer sorgsam gebauten Konstrukti­on. Der Jubel für die Produktion war letztlich ohne Raunen und ungeteilt.

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Foto: Volksoper/Pálffy Carsten Süss (li., Peter Iwanow) und Lars Woldt (Van Bett).

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