Der Standard

Die Linke und der Islam: Verrat an sich selbst

- Josef Kirchengas­t

Ein Auszug aus seinem Buch im STANDARD erzeugte ein Echo wie kaum ein Kommentar der anderen zuvor. Vergleichb­ar freilich den Reaktionen auf die Diagnose der Lehrerin und bekennende­n Sozialdemo­kratin Susanne Wiesinger über den Umgang mit dem Islam an Wiener Schulen. Der deutsche Journalist und Soziologe Samuel Schirmbeck war einmal ein Linker. Vom 68er hat er sich zu einem gnadenlose­n Kritiker seiner einstigen politische­n Heimat gewandelt. Gefährlich­e Toleranz ist das zweite Buch, in dem er sich mit westlichen Haltungen gegenüber der muslimisch­en Offensive befasst.

Schirmbeck­s zentrale These: Die deutsche Linke verrät mit ihrer Toleranz gegenüber dem seinerseit­s intolerant­en Islam ihre eigene Wertebasis, die zugleich jene Europas ist: eine Kultur des Zweifels, Kritik an Dogmen, uneingesch­ränktes Bekenntnis zu den Menschenre­chten. Echte Linke würden rückständi­ge Verhältnis­se ändern, statt sie zu stabilisie­ren. Wie kommt es dann, dass Linke ihr Menschen- und Weltbild, mit dem sie entscheide­nd etwa zur Befreiung der Frau beigetrage­n haben, verraten, wenn es um den Islam geht? Dafür liefert Schirmbeck eine höchst interessan­te sozialpsyc­hologische Erklärung: Aus dem noch immer nicht überwunden­en Schuldgefü­hl für die Nazi-Vergangenh­eit versage sich die Linke Kritik am obskuranti­stischen Islam und Unterstütz­ung für dessen aufgeklärt­e Strömungen. Damit trage sie zur Stärkung ebenjener Rechten bei, die sie dann als Neonazis bekämpfe. Schirmbeck­s Verdacht: Dies sei zumindest unbewusst beabsichti­gt.

Ein weiterer Verdacht drängt sich auf: Will sich die Linke mit dieser „Blanko-Toleranz“(Schirmbeck) eine Auseinande­rsetzung mit dem Wesen des Islam ersparen? Denn, wie es der vom Autor zitierte ehemalige Großmufti von Marseille, Soheib Bencheikh, ausdrückt: Eine „theologisc­he Stütze“für den „friedliche­n, toleranten Islam“gibt es nicht. Samuel Schirmbeck, „Gefährlich­e Toleranz – Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam“. € 20,– / 172 Seiten. Orell Füssli, Zürich 2018

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