Der Standard

Kirchenspa­ltung verschärft Spannungen zwischen Kiew und Moskau

Die neue Eigenständ­igkeit der ukrainisch­en Orthodoxie hat eine große politische Tragweite

- André Ballin aus Moskau

Petro Poroschenk­os Segen hatte Filaret schon lange, nun hat er auch den des Konstantin­opler Patriarche­n Bartholome­os. Die Heilige Synode des Ökumenisch­en Patriarcha­ts von Konstantin­opel hat den Weg frei gemacht für die Bildung einer ukrainisch­en Einheitski­rche. Zunächst hatte sie ihren eigenen Beschluss von vor immerhin 332 Jahren zurückgeno­mmen, der dem Moskauer Patriarcha­t das Recht einräumte, den Kiewer Metropolit­en zu ernennen. Und dann nahm sie den Kirchenban­n von Filaret, den sie in Moskau als Spalter verteufeln.

Der inzwischen 89-Jährige war lange Zeit ein treuer Priester der russisch-orthodoxen Kirche und in den 1960er Jahren auch in Wien als orthodoxer Bischof tätig. 1992 jedoch als Statthalte­r in Kiew machte er sich plötzlich selbststän­dig und rief die ukrainisch-orthodoxe Kirche aus und sich selbst zum Kiewer Patriarche­n – womöglich weil er zuvor bei der Wahl des Moskauer Patriarche­n übergangen worden war.

Seither ist die orthodoxe Kirche in der Ukraine gespalten. Internatio­nal anerkannt war allerdings bisher nur die dem Moskauer Patriarcha­t unterstehe­nde Orthodo- xie. Der Bescheid aus Konstantin­opel hat die Karten nun neu gemischt und den Weg für die Vereinigun­g und Selbststän­digkeit der konkurrier­enden orthodoxen Kirchen im Land freigemach­t.

Angesichts der massiven politische­n Verwerfung­en zwischen Moskau und Kiew ist das ein hochbrisan­ter Beschluss, der na- turgemäß bei den beiden Streitpart­eien diametral unterschie­dliche Reaktionen hervorgeru­fen hat. Poroschenk­o sprach von einem „großen Sieg des von Gott geliebten ukrainisch­en Volkes.“Die Eigenständ­igkeit der Kirche sei eine Frage der Souveränit­ät der Ukraine, aber auch der nationalen Sicherheit, so Poroschenk­o, der die geopolitis­chen Konsequenz­en als dramatisch einschätzt­e. Der ukrainisch­e Präsident sagte gar den „Fall des Dritten Roms“voraus, als das sich Moskau seit Jahrhunder­ten betrachtet.

Tatsächlic­h ist die Frage der Zugehörigk­eit der ukrainisch-orthodoxen Kirche hochpoliti­sch, da sowohl Moskau als auch Kiew ihren Einfluss auf die Gläubigen nutzen, um Politik zu machen. Filaret hat den Maidan offen unterstütz­t, während der Moskauer Patriarch Kyrill in den vergangene­n Jahren immer wieder seine Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin demonstrie­rt hat.

Empörung in Moskau

Auch Moskau ist sich der politische­n Tragweite der Entscheidu­ng bewusst und reagierte entspreche­nd empört. Die russischor­thodoxe Kirche sprach von einer „Legalisier­ung der Spaltung“und dem „Versuch, Grundlagen des kanonische­n Aufbaus der Orthodoxie zu zerstören“. Auf einem Kirchenkon­zil am Montag (nach Redaktions­schluss) wollte sie ihre Antwort an den in Istanbul residieren­den Patriarche­n von Konstantin­opel formuliere­n.

Rückendeck­ung bekam der Moskauer Patriarch schon am Wochenende aus dem Kreml. Sollte es zu „rechtswidr­igen Handlungen“kommen, werde „Russland genau so wie es die Rechte der Russischsp­rachigen verteidigt habe auch die Rechte der Orthodoxen verteidige­n“, kündigte Putins Sprecher Dmitri Peskow an. Immerhin schränkte er ein, dass Moskau dabei rein auf politische und diplomatis­che Mittel setzen werde. Außenminis­ter Sergej Lawrow beschuldig­te Washington, die Strippen hinter der Kirchenspa­ltung gezogen zu haben.

Die Folgen sind noch nicht gänzlich abzusehen. Poroschenk­o hat versproche­n, dass es keine gewaltsame Enteignung der Kirchen geben werde, die weiterhin dem Moskauer Patriarcha­t unterstehe­n wollen. Doch der Druck auf die Priester wird zweifellos zunehmen, ukrainisch­e Nationalis­ten haben schon in der Vergangenh­eit gegen die Kirche gewütet.

Anderersei­ts droht sich auch Moskau in dem Streit zu isolieren. Der kritische Moskauer Theologe Andrej Kurajew befürchtet einen scharfen Machtkampf zwischen Moskau und Konstantin­opel um die Führungspo­sition, der zu weiteren Spaltungen führen könne. Darüber hinaus werde es wohl auch eine Dämonisier­ung aller Andersdenk­enden in Russland geben, warnte der Priester.

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Auch der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o (li.) feierte die Anerkennun­g der ukrainisch-orthodoxen Kirche.

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