Der Standard

Dämpfer für Verfahrens­beschleuni­ger

Der Streit um das Staatsziel Wirtschaft ist prolongier­t. Die Neos fordern eine Entschärfu­ng beim Umweltvert­räglichkei­tsprüfungs­gesetz. Nur dann wollen sie der Verfassung­sänderung zustimmen.

- Regina Bruckner

Fast hat es so ausgesehen, als wäre das Ziel in Reichweite. Am Mittwoch sollte sich der Verfassung­sausschuss mit einer politisch höchst umstritten­en Materie befassen: die Wirtschaft als Staatsziel in der Verfassung zu verankern. Der Anlass: Das Bundesverw­altungsger­icht hat im Vorjahr den Bau einer dritten Piste am Flughafen Wien unter Berufung auf den Klimaschut­z untersagt. Bei der Wirtschaft war Feuer am Dach. Ein Verfahrens­beschleuni­ger sollte her.

Daraus wurde nun allerdings vorerst nichts. Diesmal scheitert es an den Neos. Über ein Jahr ist es her, dass die Idee in die Welt gekommen ist, noch unter der Ägide des damaligen Vizekanzle­rs Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP). Allein die rot-schwarze Koalition konnte sich nicht auf die konkrete Formulieru­ng einigen. Um die Akzeptanz für das Vorhaben zu erhöhen, wurde unter Türkis-Blau der Text entschärft.

„Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu einem nachhaltig­en und wettbewerb­sfähigen Wirtschaft­sstandort als eine Voraussetz­ung für Wohlstand und Beschäftig­ung“, so hieß das Wording zuletzt. In der ursprüngli­chen Regierungs­vorlage kam der Begriff „nachhaltig“nicht vor, statt des Wortes Wachstum wurde nun „Wohlstand“gewählt. Eine Mehrheit schien damit gewiss, denn auch den Neos gefiel die Idee, neben ökologisch­en auch wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten Raum in der Verfassung zu geben.

Die notwendige qualifizie­rte Mehrheit für die ursprüngli­ch für kommende Woche geplante Abstimmung im Plenum schien fix. Doch zuletzt ist die Stimmung gekippt. Die Pinken könnten mit den geplanten Änderungen beim Umweltvert­räglichkei­tsprüfungs­gesetz (UVP) nicht mit, so der stellvertr­etende Klubobmann der Neos, Nikolaus Scherak, nämlich dass die Regierungs­parteien festschrei­ben wollen, dass NGOs künftig erst ab 100 Mitglieder­n an den UVP-Verfahren teilnehmen dürfen; ebenso lehnen sie den Plan ab, dass die NGOs dem Umweltmini­sterium Mitglieder­listen überreiche­n sollen.

Die SPÖ hätte sich eine Zustimmung im Bundesrat vorstellen können, wenn auch der „Sozialstaa­t und die Vollbeschä­ftigung als soziale Grundrecht­e in der Verfassung verankert werden“. Die Neos wären an sich bereit gewesen, die Regierungs­parteien zu unterstütz­en. Doch durch die Verschärfu­ngen für Umweltorga­nisationen hebele die Regierung die ökologisch­en Aspekte aus. Kommende Woche, am 24./25. Oktober, stünde die Abstimmung im Nationalra­t an.

Anders als für die Verfassung­sänderung brauchen die Regie- rungsparte­ien dafür auch keine qualifizie­rte Mehrheit. Wäre da nicht das Junktim der Neos. Die wollen sich die Zustimmung zur Staatsziel­bestimmung Wirtschaft nur mit der Sanierung des Umweltgese­tzes abkaufen lassen. „Die Mindestfor­derung ist, dass datenschut­zrechtlich­e und europarech­tliche Bedenken ausgeräumt werden“, sagt Scherak.

Signale, dass es dazu noch kommen könnte, gibt es bereits, wie es von Umweltorga­nisationen heißt. Eine Aussprache mit den Umweltspre­chern der Regierungs­parteien – den Abgeordnet­en Walter Rauch (FPÖ) und Johannes Schmuckens­chlager (ÖVP), die auch den Änderungsa­ntrag eingebrach­t hatten – habe zwar keine konkreten Ergebnisse gebracht, so der Umweltdach­verband, allerdings könnte künftig nicht die vollständi­ge Mitglieder­liste, sondern „nur“der Nachweis von 100 „freiwillig­en“Mitglieder­n vorgelegt werden müssen. Die Zahl erscheint dem NeosMann Scherak zwar willkürlic­h, aber über sie könne man reden. Dass die Neos umfallen könnten, glaubt Leonore Gewessler, Geschäftsf­ührerin von Global 2000, nicht. Zur Erinnerung: Das Gesetz zum Zwölfstund­entag hatten die Neos scharf kritisiert und dann doch zugestimmt.

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) und Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ) wollen am Plan „Wirtschaft in die Verfassung“jedenfalls festhalten. Der nächste Verfassung­sausschuss findet aber erst im November statt.

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Genehmigun­gsverfahre­n für Großprojek­te dauern den Betreibern oft zu lange. Bei der Regierung finden die Klagenden Gehör.

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