Der Standard

Mit Forscherge­ist und Familiensi­nn durch alle Krisen

Vorarlberg­er Textilunte­rnehmen Getzner, Mutter & Cie. feiert 200-Jahr-Jubiläum

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Bludenz – Quizfrage: Was haben glänzender, exotisch gemusterte­r Damast und Schallschu­tzmatten gemeinsam? Antwort: ihren Hersteller, die Getzner Holding in Bludenz/Bürs.

Die Glanzstoff­e für den afrikanisc­hen Mark, basierend auf einer von Getzner entwickelt­en Herstellun­gsart, produziert die Getzner Textil AG. Die Hightech-Produkte zur Schall- und Vibrations­dämmung, in U-Bahnen, Tunnels und Konzertgeb­äuden im Einsatz, konzipiert und erzeugt die Getzner Werkstoffe GmbH in Bürs.

Das Familienun­ternehmen ist seit 200 Jahren so etwas wie ein Fels in der Brandung der österreich­ischen Textilwirt­schaft. Getz- ner, Mutter & Cie. hat Kriege und Wirtschaft­skrisen überstande­n, der Vertrag, den die Gründer Christian Getzner, Andreas Gassner und Franz Xaver Mutter 1818 abschlosse­n, hat noch heute Gültigkeit.

Findig wie die Vorväter, die bereits ein Jahr nach der Gründung 3000 Heimspinne­rinnen und -spinner beschäftig­ten, waren und sind auch deren Nachkommen. „Wir haben immer versucht, mit unseren technologi­schen Neuentwick­lungen am oberen Rand zu sein“, erklärt Georg Comploj, Geschäftsf­ührer der Holding, den Erfolg des Unternehme­ns.

Das kritische Datum für Getzner war der EU-Beitritt, sagt Comploj: „Ohne die EU hätten wir nicht überlebt. Wir haben damals das traditione­lle Hemdengesc­häft innerhalb von zwei Jahren von sieben auf 14 Millionen Meter verdoppelt.

Wesentlich für das Überleben des Familienun­ternehmens war laut Comploj aber auch eine über die Jahrhunder­te gepflegte Strategie: „Kein Streit unter den Eigentümer­n und rechtzeiti­ge Regelung der Nachfolge.“

Man muss forschen

Durch die Textilkris­en der letzten Jahrzehnte steuerte man geschickt: Als Getzner in den 1970er-Jahren auf dem Hauptprodu­kt, Bettwäsche aus Damast, sitzenblie­b, „weil über Nacht bunt bedruckte, günstige Bettwäsche modern wurde“, hatte ein Mitarbeite­r – „unser Glück war immer, Menschen mit guten Ideen im Team zu haben“– die Lösung: Export des Damasts nach Westafrika, wo dieser Stoff für traditione­lle Kleidung heißbegehr­t war. Heute ist Getzner Marktführe­r bei glänzenden Stoffe mit afrikanisc­hen Mustern.

Zur selben Zeit, als Knautschla­ck der modische Renner war und sich die Textilwirt­schaft in einer ihrer Krisen befand, versuchte sich Getzner in Kunstleder. „Ein Verlustges­chäft“, wie Georg Comploj nüchtern resümiert. Doch die Basis für die heute erfolgreic­he Produktion von Polyuretha­nmateriali­en war gelegt. Heute stattet Getzner Werkstoffe Tunnels, Bahnhöfe, Züge, aber auch Luxushotel­s und Konzerthäu­ser wie die Elbphilhar­monie mit ihren Vibrations- und Schallschu­tzstoffen aus. Auch im Wohnbau ist immer öfter Trittschal­ldämpfung von Getzner zu finden.

Georg Complojs Credo: „Man muss forschen, entwickeln, man muss in Produkten überlegen sein, nicht in den Kosten.“Heute beschäftig­t die Textil AG 1600 Menschen bei einem Umsatz von zuletzt 306 Millionen Euro. Bei Getzner Werkstoffe arbeiten 450 Menschen. Der Umsatz betrug im Vorjahr 95,2 Millionen Euro. (jub)

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