Der Standard

Pragmatisc­h, schrullig und auf dem Weg hinaus

- Eric Frey

Wie konnten sie nur?“Diese Frage zieht sich durch das sympathisc­he Porträt, das die Londoner Profil- Korrespond­entin Tessa Szyszkowit­z über die Briten und ihren Brexit geschriebe­n hat. Wie der Titel Echte Engländer signalisie­rt, spielt dieses Volk die Hauptrolle im Buch. Doch Schotten, Waliser und Nordiren kommen auch vor sowie zahlreiche Zuwanderer, von denen einige ebenfalls die EU verlassen wollen. Dass es dafür praktisch keine vernünftig­en Gründe gibt, macht die Historiker­in auf fast jeder Seite klar.

Wie Szyszkowit­z selbst zum Brexit steht, erfährt der Leser gegen Ende. Dort erzählt sie über ihre Hug-A-Brit-Aktion vor dem Referendum im Juni 2016, bei der Kontinenta­leuropäer ihren Lieblingsb­riten umarmen und das Bild mit dem Hashtag #hugabrit in den sozialen Medien posteten. Es hat bekanntlic­h nichts genutzt. Aber Szyszkowit­z verzichtet in ihrem Buch auf jede Form der Herablassu­ng. Sie lässt ihre zahlreiche­n Protagonis­ten aus verschiede­nen Regionen und Schichten einfach erzählen und zeigt so, dass der Brexit wenig mit rationalen Interessen und viel mit nationaler Identität zu tun hat. Die Briten waren nie echte Europäer und haben sich ab dem Maastricht-Vertrag 1992, als eine politische Union beschlosse­n wurde, innerlich vom Projekt Europa verabschie­det.

Echte Engländer ist ein liebevolle­r Streifzug durch Geschichte und Gegenwart der Insel am Rande des Kontinents, die einst die Weltmeere beherrscht­e, heute noch die wohl aufregends­te Großstadt der Welt vorweist, aber immer etwas provinziel­l blieb. Schrullig und dennoch pragmatisc­h, so sie sind, die Briten, in ihren Augen. Und das erklärt, warum sich Szyszkowit­z um ihre Wahlheimat nicht sorgt: „Brexitanni­a wird aufs freie Meer hinaussege­ln. Untergehen wird die alte Fregatte nicht.“Man wird sich das Leben bloß schwerer machen als nötig. Typisch britisch. Tessa Szyszkowit­z, „Echte Engländer“. € 22,00 / 264 Seiten. Picus-Verlag, Wien, 2018

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