Der Standard

Die Angst der Funktionär­e

- Michael Völker

Das neue Parteistat­ut hätte frischen Wind in die SPÖ bringen und die Bequemlich­keit der Funktionär­sschicht ein wenig aufbrechen sollen. Christian Kern, der mittlerwei­le schon wieder von Bord ist, hatte sich mehr Mitbestimm­ung für die Basis und eine beschränkt­e Zeit für Mandate gewünscht – eine Art von Revolte von oben gegen die Funktionär­sclique.

Die Partei ließ dazu sogar eine Mitglieder­befragung durchführe­n, und siehe da: Eine breite Mehrheit sprach sich für die Statutenre­form aus. Die Möglichkei­t der Mitbestimm­ung und eine zu erwartende Durchmisch­ung der Funktionär­e stießen auf große Zustimmung. Die Funktionär­sclique, allen voran der Wiener Landespart­eichef Michael Ludwig, sah das aber anders und schob das Votum der Mitglieder beiseite: Die Reform wurde abgesagt, still und heimlich. Erst nach einem Bericht des Δtandard kam wieder Bewegung in die Diskussion. Die Mitglieder rebelliert­en. Die Parteiführ­ung geriet in Zugzwang.

Was jetzt kommt, ist eine Reform light: Der Funktionär­skader der SPÖ muss sich in seiner Bequemlich­keit weder durch Mitbestimm­ung noch durch zeitliche Begrenzung aus der Ruhe bringen lassen.

Parteimitg­lieder dürfen künftig zwar über Koalitione­n und einen allfällige­n Regierungs­pakt abstimmen, aber nur dann, wenn eine Mehrheit des Parteivors­tands das auch so will und zulässt. Das ist eine gelenkte Scheindemo­kratie, das Gegenteil von offen und mutig. Das ist schlichtwe­g feige. Die Parteiführ­ung bevormunde­t die Mitglieder, sie nimmt sie nicht ernst.

Von der Regelung, sich nach zehn Jahren im Amt von einer Zweidritte­lmehrheit der Gremien bestätigen zu lassen, haben sich die Landesorga­nisationen freigespie­lt: Sie wird auf ihrer Ebene nicht gelten. Die Funktionär­e haben Angst vor ihrer eigenen Basis. Offenbar zu Recht.

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