Jugendherberge, Kurheim, Zelt
Die vielen Reisen sind das Beste am Sportjournalistenjob. Heißt es
Dein Job ist ein Traum, mich frisst der Neid. Auch der Sportjournalist kennt Menschen mit 9-to-5- oder gar 8-to-4-Jobs, sie liegen ihm oft mit solchen Aussagen in den Ohren. Du kannst länger schlafen, bekommt der Sportjournalist zu hören, und du kommst in der Welt herum. Beides stimmt ja auch. Aber.
Aber das ist noch lange nicht alles. Der Sportjournalist, der tatsächlich erst um 9.30 Uhr beginnt, darf sich dann oft noch am Abend zum Beispiel ein Fußball- oder Handball- oder Eishockeyspiel reinziehen, und: „Fußballschauen ist doch keine Arbeit.“Mit Glück und Verlängerung darf er sogar bis 23 Uhr in einem Stadion oder in einer Sporthalle oder auch vor dem Fernseher im Büro sitzen.
Besser sind nur die Dienstreisen. Sie haben ja auch mit Arbeitszeit an sich überhaupt nichts mehr zu tun. Kennen Sie beispielsweise den schönen Ort Oberstdorf im Allgäu? Sportjournalisten kennen ihn. In Oberstdorf findet alljährlich der Auftakt zur Vierschanzentournee der Skispringer statt. Ende Dezember fallen tausende Skisprungfans in Oberstdorf ein, und wer nicht rechtzeitig dran ist, hat fast keine Chance, eine Unterkunft zu finden.
Unter uns: Der Sportjournalist war noch nie rechtzeitig dran. In der Theorie bleiben ihm zwei Möglichkeiten: ordentlich ablegen oder nehmen, was übriggeblieben ist. In der Praxis, wir müssen nämlich aufs Geld schauen, bleibt ganz genau eine Möglichkeit. So ist auf Vermittlung des stets rührigen Oberstdorfer Tourismusbüros vor vielen Jahren gelandet, wo er dann viele Jahre blieb. „Evangelisches Mütterkurheim Hohes Licht“hat das gute Haus geheißen. Spitalszimmer, Spitalsbett. Ein Klassiker.
Immerhin ein Bett. Ein Bett hat es ja auch nicht immer gespielt. Ich sag nur: Tour de France 1998. Der werte Kollege Armin Karner, Layoutgott und Radsportfan, war mit von der Partie, wir haben uns ein Zelt, einen Twingo und einen Fußball geteilt, mit dem wir in freien Minuten hin und her köpfelten. Es war das Jahr des Pantani-Triumphs und des Festina-Dopingskandals. intern wird die Geschichte eines bis heute gültigen Köpfelrekords immer wieder aufgewärmt, sechzigmal flog die Frucht hin und her. Die wahrscheinlich heißen oder kalten oder beengten oder lauten und ganz gewiss zu kurzen Nächte im Zelt haben wir verdrängt.
Kurze Nächte sollen im Sportjournalistendasein ganz generell schon einmal vorkommen. Schließlich muss das Geschehene und Gesehene manchmal auch nachbesprochen werden. Ein armer Mensch namens Peter, der während der Eishockey-WM 1995 in Stockholm in einer Jugendherberge hackelte und dem von der Nachbesprechung heimkehrenden und läutenden nächtens stets die Haustür öffnen musste, weiß ein Lied davon zu singen.
Ab und zu tut sich bei der Quartiersuche mit, nun ja, befreundeten Medien zusammen. Auf einen gewissen Presse- Halbfinnen ist dabei Verlass. Der hat etwa bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro einen tollen Presse-&- Room gefunden. Die Aussicht gibt jedenfalls mehr her als ein Bild vom Bett im Kurheim Hohes Licht. Die Aussicht ist ein Traum. Der Job meistens eh auch.
FRITZ NEUMANN schreibt seit 1989 über Sport, seit 1994 für den Schläft dennoch meistens daheim, wenn auch aufgrund gewisser nächtlicher Völkerwanderungen nicht immer im selben Bett. Kurze Nächte sind quasi ein roter Faden.