„Schreiben Sie nicht so viel!“
Der Fall der Gewerkschaftsbank – und ein guter Tipp
Es war im Frühling 2006. Bei der damaligen Gewerkschaftsbank Bawag und im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) kündigte sich nicht weniger als eine Götterdämmerung an. Die 1922 vom früheren Staatskanzler und Sozialdemokraten Karl Renner gegründete „Arbeiterbank“stand am Abgrund. Immense Kreditgeschäfte mit „Investor“Wolfgang Flöttl waren schiefgegangen. Der Milliardenverlust freilich war jahrelang vertuscht worden. Vergraben im Sand der Karibik, in steuerparadiesischen Briefkastenfirmen und Stiftungen selbst des ÖGB – aber eben nicht ganz begraben.
Aufgeflogen ist die Sache, die 2007 in den Verkauf ausgerechnet an einen amerikanischen Hedgefonds mündete, zufällig. Am 10. Oktober 2005 hatten die Bawagbanker einen 350-Millionen-EuroKredit ans US-Brokerhaus Refco vergeben, nach dem Notruf von dessen Eigentümer und BawagGeschäftsfreund Phillip Bennett. Kaum war das Geld in New York, fiel Refco um – und die Flut an Forderungen der Gläubiger schwappte nach Wien. Der erste Dominostein war gefallen.
Ab da recherchierte (nicht nur) ich unablässig. Kam drauf, dass die Wiener den Refco-Kredit in einer Nacht- und Nebelaktion beschlossen hatten, dass sie noch vergeblich versucht hatten, das Geld wieder zurückzuholen. Schicht für Schicht trug ich jenes steinige Material ab, unter dem sich das Geheimnis der „Karibikverluste“verbarg. Mit dem Biotop Bawag hatte ich mich schon jahrelang beschäftigt; mein Verhältnis zum recht selbstbewussten Exchef Helmut Elsner war meistens, na, sagen wir, unterkühlt.
Recherchierend, rennend, schnaufend verbrachte Wochen und Monate. Meine vernachlässigten Liebsten daheim schnauften mit. Bestens erinnere ich mich an die SMS meines Jüngeren aus der Schulpause: „Die Togo (Topfengolatsche, Anm.) schimmelt.“
Zum Einkaufen kam ich selten, dafür grub ich die Tatsache aus, dass der ÖGB aus Vertuschungszwecken für die nicht werthaltigen Kredite an karibische Firmen haftete. Und das Faktum, dass der berühmte Streikfonds des ÖGB fortan aus (de facto wertlosen) Bawag-Aktien bestand.
Unterlagen aus dem Sackerl
Ich fand die Protokolle der geheimen Vorstandssitzung von 26. Oktober 1998, nach der Elsner und Co ihre Ideen zur diskreten Rettung der Bank umsetzten. Der in New York lebende, damals mit einer Eisenhower-Enkelin verheiratete Flöttl überließ der Bawag sein Vermögen, vor allem Gemälde. Monatelang suchte, suchte, suchte ich nach der Liste der Werke. Und: Ich habe die Aufzeichnungen gefunden. Mit einem der Aufdeckung Wohlgesinnten habe ich mir einen Termin auf der Straße ausgemacht, wir würden einander nicht begrüßen, nur aneinander vorbeigehen. Der Informant hielt und ließ Unterlagen diskret in mein Billa-Sackerl gleiten (wenigstens am Freitag kam ich zum Einkaufen). Monets, Manets, Picassos hatte Flöttl der Bank zum Versilbern überlassen, man kam aus dem Staunen nicht heraus.
Im jagte eine Geschichte, eine Enthüllung die nächste, scheibchenweise räumten (Ex-)Vorstand und ÖGB Verluste und Vertuschung ein. Einer der Höhepunkte meiner Recherchen: Der ÖGB selbst hatte eine Stiftung in Liechtenstein. Den kurzen Weg von den abendlichen Notpressekonferenzen in der Bawag in die Herrengasse brachte ich (Redaktionsschluss!) laufend hinter mich, im Büro wartete schon meine Kollegin Bettina Pfluger, die Finger auf der Tastatur. Ich diktierte, sie schrieb, so ging’s schneller.
Nach einer dieser Pressekonferenzen hielt mich ein damals noch wichtiger Banker auf. „Auf Wiedersehen“, rief ich ihm im Davoneilen zu. Er erwiderte meinen Gruß und hatte einen exzellenten Rat für mich parat: „Und, Frau Graber, schreiben Sie nicht so viel!“Na ja. So richtig beherzigt hab ich seinen Tipp nicht.
RENATE GRABER schreibt seit 2004 Wirtschafts- und andere Geschichten für den führt Interviews für „Anders gefragt“. So sie nicht gerade den Geschirrspüler einräumt.