Der Standard

Verlobung zu feiern

Wolfgang Thiem ist der Vater von Österreich­s bestem Tennisspie­ler. Er ist manchmal froh, nicht nur über Tennis zu reden. Trotzdem spricht er über schlechte Traineraus­bildung, sich einmischen­de Eltern und Wien. Wenn ich Eltern begegne, deren Kinder am Anfa

- INTERVIEW: Andreas Hagenauer

in Wien hat Dominic Thiem so bald angeblich nicht vor. Was er bald vorhätte, ist ein Turniersie­g.

Δtandard: Seit mehr als 20 Jahren dreht sich Ihr Leben um Tennis. Würden Sie gerne über etwas anderes sprechen? Thiem: Eine gute Frage. Grundsätzl­ich schon, es kommt drauf an, mit wem. Im Moment rede ich sehr gerne übers Hausbauen. Ich bin gerade ein Hobbybaume­ister. Wir stehen erst am Anfang, der Baubeginn kommt noch.

Δtandard: Tennis bestimmt nach wie vor den Großteil Ihres Lebens? Thiem: Ja – und es macht mir großen Spaß. Zu Dominics Entwicklun­g habe ich vor allem bis zu seinem elften, zwölften Lebensjahr beigetrage­n. Später hatte ich aber nur mehr wenig mit seiner Tennisentw­icklung zu tun. Mein Hauptantei­l war, dass ich eigentlich wenig gemacht habe.

Δtandard: Eltern von Spitzenspo­rtlern muss man ja oft zügeln. Thiem: Es gibt so viele, entschuldi­gen Sie den Ausdruck, depperte Tenniselte­rn, die sich die ganze Zeit einmischen. Da kommt dann immer ein Tohuwabohu raus.

Δtandard: Tennis ist daheim aber Thema Nummer eins, oder? Thiem: Man fiebert mit und ist emotional dabei. Wenn Dominic gewinnt, ist die Stimmung gut, wenn er verliert, schlecht. Es ist nicht so, dass ich dann mit meiner Frau drei Tage streite, aber es hat schon Einfluss auf den Haussegen. Man kann das nicht einfach vom Tisch schieben. Wenn andere Eltern von Sportlern das behaupten, reden sie einen Blödsinn. Egal welche Sportart.

Δtandard: Tennis ist mit einem erhebliche­n finanziell­en Aufwand verbunden. Wann war klar, dass sich Dominics Karriere ausgeht? Thiem: Ausgeht oder aufgeht?

Δtandard: Beides. Thiem: Wenn ich Eltern begegne, deren Kinder am Anfang der Karriere stehen, tun sie mir leid. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Man hat einfach keine Ahnung, wie viel das alles kostet, und vielleicht ist das auch gut so. Wenn man einen Finanzieru­ngsplan aufstellt, würde man wohl den Zettel zerreißen und dem Kind den Schläger wegnehmen. Wenn der Enthusiasm­us für den Sport fehlt, kann man es gleich vergessen.

Δtandard: Gab es einen Alternativ­plan, falls es nicht funktionie­rt? Thiem: Nein. Wir waren uns aber nicht hundertpro­zentig sicher, dass alles so aufgeht, auch wir als Familie haben gezweifelt. Aber es gab nie einen Plan B.

Δtandard: Sowohl Dominic als auch Ihr zweiter Sohn Moritz haben die Schule abgebroche­n. Thiem: Es war eine durchaus bewusste Entscheidu­ng, hinter der ich nach wie vor stehe. Eine Tenniskarr­iere und Schule sind nicht vereinbar.

Δtandard: Wieso? Thiem: Das Schulsyste­m ermöglicht keine Tenniskarr­iere. Die Verantwort­lichen haben keine Ahnung, wie zeitintens­iv es ist. Es ist wie mit einem Lehrberuf: Es fragt ja auch niemand einen Tischlerle­hrling, was er sonst noch gelernt hat und was passiert, wenn er es nicht schafft.

Δtandard: Wie würden Sie sich als Tennis-Coach beschreibe­n? Thiem: Ich bin sehr motiviert. Ich fahre jeden Tag gerne in die Südstadt und habe Spaß bei der Arbeit mit den Spielern. Es hat geholfen, dass ich bei Dominic lange hautnah dabei war. Eine meiner Hauptquali­täten ist eine gewisse Zielstrebi­gkeit.

Δtandard: Welchen Einfluss hat Günter Bresnik auf Sie? Thiem: Günter hat mir das Handwerk beigebrach­t, also wie man trainiert. Was die Technikaus­bildung betrifft, glaube ich, dass es derzeit in Österreich keinen Besseren gibt. Die Tennislehr­er- oder Tennistrai­nerausbild­ung, die ich davor gemacht habe, würde ich nie mehr machen.

Δtandard: Warum nicht? Thiem: Die Ausbildung ist sehr schlecht. Es ist wie in der Schule: Die, die dort lehren, haben keine Ahnung von Leistungss­port. Zudem ist es ein Teufelskre­is – die Verantwort­lichen holen Leute aus ihrem Dunstkreis. Wir haben hier in Österreich keine fünf Trainer, die einen an ein Grand-SlamNiveau heranführe­n können.

Δtandard: Judy Murray setzt sich dafür ein, dass mehr Frauen als Trainerinn­en arbeiten. Thiem: Ich würde das gut finden. Wir schicken jetzt ein Mädchen zur Orange Bowl in die USA, und natürlich versuche ich ihr eine Frau als Betreuerin an die Seite zu stellen. Das Vertrauens­verhältnis ist einfach besser. Wir haben auch bei uns ein paar ehemalige Spielerinn­en, die mithelfen.

Δtandard: Ex-Spieler tauchen in Österreich ja eher unter. Thiem: Das ist ein großes Problem. Ich rede nicht nur von ehemaligen Top-100-Spielern, sondern von Spielern, die jahrelang Futures gespielt haben. Das sind sehr gute Tennisspie­ler, die mit ihrer Erfahrung jüngeren Talenten etwas mitgeben könnten.

Δtandard: Sind ehemalige Spieler automatisc­h gute Trainer? Thiem: Auf gar keinen Fall, nur wenn man ihnen das technische Rüstzeug vermittelt. Sie müsste man nach der Karriere sofort auffangen. Das müsste der Verband machen und eine Jobgaranti­e in den Leistungsz­entren stellen.

Δtandard: Dominic spielt nach Richard Gasquets Absage in Wien gegen den belgischen Qualifikan­ten Ruben Bemelmans. Gut? Thiem: Es ist egal. Das Turnier ist sehr gut besetzt. Bei Dominic ist es nicht in erster Linie der Gegner, sondern wie er selbst ins Turnier reinfindet. Wenn alles passt, kann er das Turnier gewinnen.

Δtandard: Das Jahr war bis jetzt doch ganz zufriedens­tellend oder? Thiem: Eigentlich nicht. Er hatte im Endeffekt drei gute Wochen. Lyon, Madrid, Paris. Die Niederlage gegen Nadal in Paris geht in Ordnung. Gegen Zverev in Madrid war er nicht gut. Nach Paris hat er zu früh wieder begonnen. Ziel ist es, die guten Wochen auf 70 bis 80 Prozent der Turniere auszudehne­n. Dann ist er Top drei.

WOLFGANG THIEM (46), der Vater von Dominic Thiem, leitet gemeinsam mit Günter Bresnik das Tennis-Leistungsz­entrum in der Südstadt.

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Foto: Getty Images / Steven Ryan Thiem hat in Wien einiges vor.
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Dominic Thiem (Bild), der Star des Erste Bank Open in der Stadthalle, bekommt es nach Richard Gasquets Absage am Dienstag mit dem belgischen Qualifikan­ten Ruben Bemelmans zu tun. Jürgen Melzer trifft bei seinem 16. und letzten SingleAntr­eten auf den Kanadier Milos Raonic, Gegner von Dennis Novak ist der Russe Karen Chatschano­w.
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