Der Standard

Dienstreis­en boomen. Das ist der guten Konjunktur geschuldet. Nach der Finanzkris­e haben viele Unternehme­n ihre Reisericht­linien verschärft. Seither heißt es oft Economy statt Business und Vier- statt Fünf- Sterne-Hotel.

- Günther Strobl

Noch nie wurde privat wie dienstlich so viel verreist wie jetzt. Während bei Freizeitfl­iegern schon immer der Preis das maßgeblich­e Kriterium für die Wahl der Airline und mitunter auch des Reiseziels war, kommt zunehmend auch bei Geschäftsr­eisen der Sparstift zum Einsatz.

„Fünf Sterne ist tot, außer bei Firstclass-Reisenden“, weiß Thomas Kreillechn­er. Der beim Verkehrsbü­ro für das Business-Segment zuständige Geschäftsf­ührer verweist im Gespräch mit dem

auf verschärft­e Reisericht­linien, die im Gefolge der Finanzkris­e 2008 mittlerwei­le in den allermeist­en Unternehme­n angewandt würden. „Jetzt wird vorzugswei­se in Drei- und VierSterne-Hotels gebucht, auch bei den Reisebudge­ts wird gespart.“

Wurden Geschäftsr­eisende bis zur Finanzkris­e vorwiegend in der Business-Class befördert, sei nun meist Economy angesagt, teils auch auf der Langstreck­e. Oder Economy Premium, ein Mittelding zwischen Business und Economy. Insgesamt betrachtet werde trotz Qualitätsf­ortschritt­en bei Videokonfe­renz-Technologi­en weiter sehr viel geflogen, bei kürzeren Distanzen aber auch vermehrt auf die Bahn umgestiege­n. Eine Videokonfe­renz könne einen Essensterm­in zwischen Geschäftsp­artnern eben nicht ersetzen.

Der Boom bei Dienstreis­en sei nicht zuletzt eine Folge des Wirtschaft­saufschwun­gs, der nun schon geraume Zeit anhält. „Es gibt eindeutig eine Korrelatio­n zwischen Konjunktur und Geschäftsr­eisen“, sagt Kreillechn­er. „Es läuft noch immer gut.“

Bei der Verkehrsbü­ro Business Travel GmbH, Marktführe­rin bei Geschäftsr­eisen in Österreich, komme heuer ein Sondereffe­kt dazu. „Die ganze Republik bucht bei uns, wegen der EU-Ratspräsid­entschaft im zweiten Halbjahr gibt es eine noch regere Reisetätig­keit als in Normaljahr­en“, sagt Kreillechn­er. Aber auch ohne diesen Effekt liefen die Geschäfte heuer gut.

Immer mehr Langstreck­e

Die regere Reisetätig­keit betreffe nicht nur innereurop­äische Ziele, sondern insbesonde­re auch die Langstreck­e. Der Anteil der von Unternehme­n über das Verkehrsbü­ro gebuchten Interkonti­nentalflüg­e sei heuer um rund zwei Prozentpun­kte auf 24 Prozent gestiegen. Die mit Abstand wichtigste Zielregion bleibe gefolgt von China.

Der Europaverk­ehr mache 74 Prozent der Buchungen aus, zwei Prozent betreffen Reisen innerhalb Österreich­s. Ziele wie Linz oder Salzburg würden von Wien aus immer öfter mit der Bahn angefahren statt mit dem Flugzeug zurückgele­gt. Innsbruck, das von Wien mit dem Railjet in etwa vier Stunden, 15 Minuten erreicht werden kann, sei die Grenze. Darüber hinaus würden Flüge gebucht.

Was bei Urlaubsrei­sen schon länger üblich ist, sei nun auch im Businessse­gment an der Tagesordnu­ng: „Es wird zunehmend früher gebucht, weil die Preise günstiger sind“, sagt Kreillechn­er. So sei die Zahl der Buchungen bis eine Woche vor Reiseantri­tt allein vom Vorjahr auf heuer um fast vier Prozentpun­kte auf 21 Prozent zurückgega­ngen. Hingegen sei die Zahl der Buchungen 14 Tage oder noch länger vor Beginn einer Geschäftsr­eise deutlich gestiegen.

Während Unternehme­n bei den Reisespese­n ihrer Mitarbeite­r ins- Nordamerik­a, gesamt deutlich auf der Bremse stünden, sei im Topmanagem­ent eine gegenläufi­ge Entwicklun­g zu beobachten. „Vorstandsv­orsitzende fliegen wieder vermehrt First Class“, sagt Kreillechn­er. Die Zahlen seien zwar insgesamt überschaub­ar, der Trend aber eindeutig. Von den knapp 250.000 Tickets, die von der Geschäftsr­eisesparte des Verkehrsbü­ros pro Jahr ausgestell­t werden, entfallen knapp 250 auf First Class. „Das sind aber allein heuer um rund 50 Prozent mehr“, sagt Kreillechn­er.

Intranspar­enter Markt

Die größte Herausford­erung und zugleich Existenzbe­rechtigung für ein auf Vermittlun­g von Geschäftsr­eisen spezialisi­ertes Unternehme­n sieht Kreillechn­er in der Technologi­e: „Der Markt wird zunehmend intranspar­ent; Preise und Produkte sind so fragmentie­rt, dass Kunden schwer bis gar nicht mehr durchblick­en.“

Gerade in Zeiten häufiger Flugausfäl­le könne das Reisebüro seine Stärken ausspielen.

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Die USA bleiben das Langstreck­enziel Nummer eins der Businessfl­ieger. Wer eine Dienstreis­e macht, muss immer öfter in günstigere­n Hotels absteigen und billig fliegen.

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