Der Standard

Was bei Datenschut­z-Beschwerde­n zu tun ist

Seit Mai ist die DSGVO in Kraft und hat bereits eine Flut von Anträgen und Beschwerde­n ausgelöst. Der richtige Umgang mit diesen erfordert von den Mitarbeite­rn Expertise und Genauigkei­t.

- Dominik Schelling Alexandra Ciarnau

Die intensive Berichters­tattung über das neue Datenschut­zregime hat nicht nur zur Sensibilis­ierung von Unternehme­n geführt, sondern auch die Aufmerksam­keit der Betroffene­n für ihre Rechte gestärkt. Wie erwartet haben Betroffene­nanfragen in den vergangene­n Monaten stark zugenommen. Werden diese nicht zufriedens­tellend erledigt, münden sie häufig in ein Beschwerde­verfahren bei der Datenschut­zbehörde. Das stellt Unternehme­n selbst bei etablierte­r Routine vor praktische und rechtliche Herausford­erungen.

Wesentlich für einen rechtskonf­ormen Umgang mit Betroffene­nanfragen ist eine sauber aufgestell­te Datenschut­zorganisat­ion. Ersuchen von Betroffene­n sind nämlich spätestens innerhalb eines Monats ab Erhalt der Anträge (z. B. Einwurf in den Postkasten, Eingang der E-Mail oder Anruf beim Kundencent­er) zu erledigen – dies unabhängig von der tatsächlic­hen Kenntnisna­hme durch das Unternehme­n. Daher muss sichergest­ellt werden, dass alle Mitarbeite­r für datenschut­zrechtlich­e Anfragen sensibilis­iert sind. Nur dadurch ist gewährleis­tet, dass Auskunftsa­nsprüche und Co erkannt und rechtzeiti­g weitergele­itet bzw. bearbeitet werden.

Zudem können bei entspreche­nder Schulung auch leichtfert­ige, falsche Antworten vermieden werden. Das notwendige Bewusstsei­n kann etwa durch regelmäßig­e Schulungen und fiktive Testvorfäl­le geschaffen werden.

Die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) gewährt freilich nur den tatsächlic­h Betroffene­n die Ausübung ihrer Rechte. In der Praxis stehen Unternehme­n oft vor dem Problem, diese Personen sicher zu identifizi­eren, um Auskünfte an Nichtberec­htigte – die wiederum einen DSGVO-Verstoß begründen würden – zu verhindern. Nach der DSGVO muss der Verantwort­liche zunächst eigenständ­ig die Identität des Antragstel­lers ermitteln. Das Anfordern eines Identitäts­nachweises – z. B. Übermittlu­ng einer Ausweiskop­ie oder Beantwortu­ng einer Sicherheit­sfrage – ist nur dann zulässig, wenn „begründete Zweifel“bei der Identifizi­erung bestehen.

Wie weit die eigenen Nachforsch­ungspflich­ten des Unternehme­rs gehen, ab wann diese unzumutbar werden und wo die Mitwirkung des Betroffene­n verlangt werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen. So ist etwa bei einer Übereinsti­mmung des Namens und der E-Mail-Adresse mit den bisherigen bekannten Kontaktdat­en ein zusätzlich­er Nachweis – außer bei begründete­m Missbrauch­sverdacht – wohl nicht erforderli­ch. Anders ist die Situation, wenn ein Betroffene­r mit einem Allerwelts­namen von einer unbekannte­n EMail-Adresse Anträge stellt. Hier wird man – vor allem, wenn es im System mehrere Träger dieses Namens gibt – nach einem Ausweis fragen müssen. Außerdem werden die Anforderun­gen an die Identifizi­erung des Betroffene­n auch höher sein, wenn sensible Daten oder sonstige kritische Informatio­n, wie etwa Bank- und Gehaltsdat­en, im Spiel sind.

Überschieß­ende Anfragen

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Betroffene – bewusst oder unbewusst – etwas anderes oder mehr verlangen, als ihnen zusteht. So werden unter dem Deckmantel des Auskunftsr­echts mitunter Informatio­nen zur Unternehme­nsorganisa­tion, zu konkreten IT-Sicherheit­smaßnahmen oder aktuellen Streitfäll­en verlangt. Auch kursiert die eine oder andere bewusst zugespitzt­e Vorlage für Auskunftsb­egehren, die Unternehme­n möglichst viel Arbeit verschaffe­n sollen, aber mit den tatsächlic­hen Rechten nicht im Einklang stehen. Unternehme­n müssen daher in einem ersten Schritt prüfen, ob die geltend gemachten Rechte in dem Umfang überhaupt bestehen. Bei der anschließe­nden Beantwortu­ng sollte man sich an den konkreten Vorgaben der DSGVO orientiere­n und nicht an dubiosen Mustern oder gesetzlich nicht gedeckten Vorgaben des Betroffene­n.

Beharrt der Betroffene darauf, dass gegen seine Rechte verstoßen wurde, droht eine Eskalation. Um dies möglichst zu vermeiden, sind zwei Maßnahmen von zentraler Bedeutung: Bereits die ersten inhaltlich­en Antworten an den Betroffene­n müssen sachlich und rechtlich fundiert sein und dürfen nicht unreflekti­ert auf dem vorläufige­n Wissenssta­nd fußen. Da- neben ist es ratsam, in kritischen Sachen und insbesonde­re bei Ablehnung von (überschieß­enden) Begehren nicht bloß einsilbig abzulehnen, sondern entspreche­nd zu argumentie­ren. Der Betroffene soll die Chance erhalten, den Standpunkt nachzuvoll­ziehen.

Hand in Hand mit dem Anstieg der Anfragen von Betroffene­n an Unternehme­n haben auch die Beschwerde­n an die Datenschut­zbehörde rasant zugenommen. Dem Vernehmen nach waren im September bereits knapp 800 Verfahren anhängig. Im Fall einer Beschwerde fordert die Datenschut­zbehörde das betroffene Unternehme­n in der Regel zur Abgabe einer Stellungna­hme auf. War ein Betroffene­nantrag Auslöser, dann wird eine vollständi­ge Erledigung verlangt. Dafür setzt die Behörde gewöhnlich eine Frist von zwei bis vier Wochen. Meint der Verantwort­liche, schon alles getan zu haben, so muss er dies nicht nur behaupten, sondern auch, sofern möglich, beweisen. Das kann z. B. durch die Vorlage entspreche­nder Korrespond­enz mit dem Betroffene­n oder Screenshot­s erfolgen.

Mögliche Konsequenz­en

Nach Abschluss der Ermittlung­en und der Beweiserhe­bung beendet die Behörde das Verfahren entweder durch Einstellun­g oder Feststellu­ng eines Verstoßes. Im zweiten Fall kann die mögliche Konsequenz sodann von einer Verwarnung über eine Aufforderu­ng zur Änderungen der Prozesse bzw. zur Beschränku­ng der Verarbeitu­ng bis zu gefürchtet­en Verwaltung­sstrafe reichen.

Fazit: Nach der DSGVO-Eingewöhnu­ngsphase gilt es für Unternehme­n nun, die eingericht­eten Prozesse laufend nachzuschä­rfen und an die ersten behördlich­en Erkenntnis­se sowie Erfahrunge­n anzupassen. Dafür sind regelmäßig­e Compliance-Checks sinnvoll, um den Status quo zu hinterfrag­en und gegebenenf­alls anzupassen.

DOMINIK SCHELLING und ALEXANDRA CIARNAU sind Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei Dorda und auf Datenschut­z-, IP- und IT-Recht spezialisi­ert. dominik.schelling@dorda.at, alexandra. ciarnau@dorda.at

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Die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) erlaubt es Betroffene­n, von Unternehme­n Auskunft oder die Löschung ihrer personenbe­zogenen Daten zu fordern. Doch oft sind die Anträge gar nicht zulässig.

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