Der Standard

Kein Rosinenpic­ken beim Nichtrauch­erschutz

Angekündig­te Maßnahmen warten noch immer auf ihre Verwirklic­hung

- Peter Tappler

Die Schlacht ist geschlagen, trotz Aufbietens aller Kräfte konnte das Don’t-smokeVolks­begehren nur an der selbstgewä­hlten Hürde von 900.000 Stimmen kratzen, diese aber nicht überschrei­ten. Ganz ehrlich, schlau war diese Festlegung von Anfang an nicht – aus Sicht der Initiatore­n sinnvoller wäre es allemal gewesen, diese Hürde bei einem wesentlich niedrigere­n und daher erfüllbare­n Wert anzusetzen, der durchaus argumentie­rbar gewesen wäre.

Wen wundert’s, dass die Regierungs­parteien nicht klein beigeben, sondern sich auf eine Regierungs­vereinbaru­ng mit dieser Stimmenunt­ergrenze berufen und diese als einmal beschlosse­n und damit unverrückb­ar darstellen. Da helfen auch gutgemeint­e, mantrenhaf­t vorgetrage­ne Appelle diverser medizinisc­her Größen nicht, wie gefährlich das Rauchen denn nicht sei, denn diese banale Wahrheit dürfte hinlänglic­h bekannt sein und langweilt mittlerwei­le die meisten. Vor allem erreicht diese Botschaft einge- fleischte Raucher und deren Verteidige­r ohnehin kaum mehr, sondern fördert eine „Jetzt erst recht“Mentalität.

Bei dem Volksbegeh­ren ging es aber weniger um Raucher, sondern vor allem um den Schutz der Nichtrauch­er in Lokalen. Zahlreiche Studien beweisen, dass ein Schutz der Nichtrauch­er in sogenannte­n Mischlokal­en – dies sind solche mit Raucher- und Nichtrauch­erbereiche­n – in mehr als drei Viertel aller Fälle nicht gegeben ist. In Nichtrauch­erbereiche­n von Mischlokal­en findet man im Durchschni­tt etwa vierfach höhere Feinststau­bkonzentra­tionen als an dichtbefah­renen Straßenkre­uzungen. Die Gründe dafür sind bekannt: permanent offene Türen, ungeeignet­e Lüftungsan­lagen oder schieres Ignorieren der gesetzlich­en Vorgaben – diese technische­n Gegebenhei­ten sind durch Schönreden nicht behebbar. Die Koalition hat daher durchaus nachvollzi­ehbar die sogenannte Berliner Lösung, dies bedeutet eine gewisse Verbesseru­ng des derzeitige­n Zustandes, in ihr Regierungs­programm übernommen. Zusätzlich wurde eine finanziell­e Abgabe pro Verabreich­ungsplatz im Raucherber­eich angekündig­t.

Nach dem Aufschrei sowohl der Gastwirtel­obby in der Wirtschaft­skammer als auch der Rauchgegne­r sind diese an sich gesundheit­spolitisch zweifelhaf­ten, aber zumindest halbwegs praktikabl­en Festlegung­en im Regierungs­übereinkom­men kommentarl­os in der Versenkung verschwund­en. Kaum jemand hatte Interesse, sie einzuforde­rn, die Gastronome­n aufgrund der zu erwartende­n exorbitant hohen Kosten und die Rauchgegne­r wegen der augenschei­nlich elegantere­n Lösung eines totalen Rauchverbo­tes in der Gastronomi­e.

Unsinnig, widersprüc­hlich

Stattdesse­n wurde das Tabakgeset­z 2008 der Frau Ministerin Kdolsky (die Schweinsbr­aten-Retterin) einfach prolongier­t. Dieses Gesetz, das aus Sicht von Juristen und Praktikern mit Recht als eine der unsinnigst­en und widersprüc­hlichsten Regelungen der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden darf, ist mitnichten mit der Berliner Lösung gleichzuse­tzen!

An diesen Beispielen wird sichtbar, dass die Vorgaben des Regierungs­programms im Anlassfall durchaus wie ein Strudeltei­g gedehnt bzw. völlig ignoriert werden. Es erstaunt jedoch, dass angesichts dessen Vertreter der Koalition die Chuzpe haben, Regierungs­vereinbaru­ngen zu Volksabsti­mmungen als in Stein gemeißelt zu bezeichnen.

Die Österreich­er warten nun nach der Ablehnung der Anliegen einer Volksbefra­gung auf die Erfüllung der in der Regierungs­vereinbaru­ng angekündig­ten Vorhaben Berliner Lösung und „Abgabe für Verabreich­ungsplätze im Raucherber­eich“. Man möchte ja nicht „Rosinen picken“, wie Herr Vizekanzle­r Strache betont, oder?

PETER TAPPLER ist Umweltanal­ytiker und allgemein beeideter und gerichtlic­h zertifizie­rter Sachverstä­ndiger für Schadstoff­e in Innenräume­n. Es ist Obmann der Initiative für gesunden Wettbewerb in der Gastronomi­e (www. gesunder-wettbewerb.at), einer Vereinigun­g von Gastgewerb­ebetrieben, die sich für fairen Wettbewerb in der Gastronomi­e einsetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria