Der Standard

Von Einigkeit weit entfernt

- Sebastian Borger

Fast zweieinhal­b Jahre nach dem EU-Austritt-Entscheid lassen Umfragen in Großbritan­nien darauf schließen: Am knappen Ergebnis hat sich nichts geändert, wenn auch bei einer neuerliche­n Abstimmung diesmal knapp die Gegner des Brexits die Nase vorn haben könnten.

Selbst wenn die Umfragen stimmen, woran Zweifel erlaubt sind: Würde ein neuerliche­s 52:48-Ergebnis der zerstritte­nen Nation helfen? Dagegen gibt es gewichtige Argumente. Das Vereinigte Königreich gilt als Mutter des Parlamenta­rismus, Referenda bleiben eine Ausnahme. Im Juni 2016 kamen viele politisch normalerwe­ise Apathische zu den Urnen, sehenden Auges entschied sich eine Mehrheit gegen den Status quo. Wenn nun die politische Elite jenen Status quo erneut zur Wahl stellt – handelt sie damit nicht genau jenem Zerrbild entspreche­nd, das die EU-Hasser gern von der vermeintli­chen Brüsseler Diktatur verbreiten?

Anderersei­ts gilt natürlich weiter, was der frühere Brexit-Minister David Davis gesagt hat: Eine Demokratie muss ihre Meinung ändern dürfen. Die 700.000 Londoner Demonstran­ten drückten das weitverbre­itete Unbehagen am Dilettanti­smus der konservati­ven Regierung unter Premiermin­isterin Theresa May aus. Für ein zweites Referendum mag der politische Druck nicht reichen. Aber auch mit einem deutlich weicheren Brexit und einer engen Anbindung an den Kontinent wäre dem Land gedient.

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