Der Standard

Eine Klickgrana­te für DJ Voll-out

Der heimische Rapper RAF Camora mischt die Ö3-Hitparade auf

- Christian Schachinge­r

Wenn der Vater eine CD mit nach Hause bringt, von der er denkt, dass die Kinder damit etwas anfangen können, wird sie freundlich begutachte­t: „Aha, so schaut die aus. Cool. Danke, da hast du sie wieder, wir brauchen sie nicht. Außerdem ist der/die/das XY voll out.“

Der junge Mann namens DJ Voll-out war bis vor wenigen Wochen voll cool. Die Tickets, die man für sein in zehn Monaten in Wien stattfinde­ndes Konzert unbedingt besorgen sollte, kann man sich einrexen; so das Konzert wegen mangelnden Publikumsi­nteresses nicht ohnehin „aus technische­n Gründen“abgesagt werden wird.

Teenager heute sind zwar auch keine schlechter­en Menschen als zu jenen Zeiten, in denen CDS der Spice Girls noch palettenwe­ise in die Mediamärkt­e geschaufel­t wurden. Allerdings hat sich der Konsum von Popmusik grundlegen­d geändert. Nicht nur das Album wird sterben. Abgesehen vom Nischenpro­dukt Vinyl wird der ganze physische Tonträgerm­arkt zusammenbr­echen. Heute ist kein junger Mensch mehr dazu bereit, Geld für 15 Songs auszugeben, von denen ohnehin nur einer gut oder hörbar ist. Der wird dann über diverse Streamingp­lattformen wie Spotify oder Deezer zu Tode gehört, bevor er auf dem Friedhof der abgespielt­en Einwegidol­e landet.

Mit den Streamingd­iensten ändern sich auch die Charts. Bei Streamings als neuer Bestandtei­l der Verkaufshi­tparaden zählt nicht etwa das vollständi­ge Abhören eines Songs, sondern das einfache Anklicken. Deshalb herrscht nun großer Aufruhr angesichts der berüchtigt­en Ö3-Hitparade, in der sich neben dem üblichen Popgedudel nun auch auf den ersten 15 Rängen 13 Tracks des heimischen Möchtegern-Gangsta-Rappers RAF Camora und seines deutschen Brudis Bonez MC befinden. Harte Tracks des Albums Palmen aus Plastik 2 für die ganzen harten postpubert­ären Jungs aus dem heimischen Mittelstan­d mit Hymnen für lernschwac­he Kinder wie Kokain, Kriminelle­r oder 500 PS.

Angesichts dessen sollen laut österreich­ischer Musikwirts­chaft nun die Kriterien geändert werden. Nicht jedes Anklicken eines Songs zählt in Zukunft, sondern nur die am häufigsten angeklickt­en drei Titel eines Albums. Damit soll die stilistisc­he Vielfalt gewährleis­tet bleiben. Der war gut.

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