Eine Klickgranate für DJ Voll-out
Der heimische Rapper RAF Camora mischt die Ö3-Hitparade auf
Wenn der Vater eine CD mit nach Hause bringt, von der er denkt, dass die Kinder damit etwas anfangen können, wird sie freundlich begutachtet: „Aha, so schaut die aus. Cool. Danke, da hast du sie wieder, wir brauchen sie nicht. Außerdem ist der/die/das XY voll out.“
Der junge Mann namens DJ Voll-out war bis vor wenigen Wochen voll cool. Die Tickets, die man für sein in zehn Monaten in Wien stattfindendes Konzert unbedingt besorgen sollte, kann man sich einrexen; so das Konzert wegen mangelnden Publikumsinteresses nicht ohnehin „aus technischen Gründen“abgesagt werden wird.
Teenager heute sind zwar auch keine schlechteren Menschen als zu jenen Zeiten, in denen CDS der Spice Girls noch palettenweise in die Mediamärkte geschaufelt wurden. Allerdings hat sich der Konsum von Popmusik grundlegend geändert. Nicht nur das Album wird sterben. Abgesehen vom Nischenprodukt Vinyl wird der ganze physische Tonträgermarkt zusammenbrechen. Heute ist kein junger Mensch mehr dazu bereit, Geld für 15 Songs auszugeben, von denen ohnehin nur einer gut oder hörbar ist. Der wird dann über diverse Streamingplattformen wie Spotify oder Deezer zu Tode gehört, bevor er auf dem Friedhof der abgespielten Einwegidole landet.
Mit den Streamingdiensten ändern sich auch die Charts. Bei Streamings als neuer Bestandteil der Verkaufshitparaden zählt nicht etwa das vollständige Abhören eines Songs, sondern das einfache Anklicken. Deshalb herrscht nun großer Aufruhr angesichts der berüchtigten Ö3-Hitparade, in der sich neben dem üblichen Popgedudel nun auch auf den ersten 15 Rängen 13 Tracks des heimischen Möchtegern-Gangsta-Rappers RAF Camora und seines deutschen Brudis Bonez MC befinden. Harte Tracks des Albums Palmen aus Plastik 2 für die ganzen harten postpubertären Jungs aus dem heimischen Mittelstand mit Hymnen für lernschwache Kinder wie Kokain, Krimineller oder 500 PS.
Angesichts dessen sollen laut österreichischer Musikwirtschaft nun die Kriterien geändert werden. Nicht jedes Anklicken eines Songs zählt in Zukunft, sondern nur die am häufigsten angeklickten drei Titel eines Albums. Damit soll die stilistische Vielfalt gewährleistet bleiben. Der war gut.