Der Standard

Heikle Mission in Moskau für Trumps Vertrauten

Donald Trumps Sicherheit­sberater John Bolton führt in Russland harte Gespräche. Er soll dem Kreml das Ende des Atomwaffen­sperrvertr­ags erklären und gleichzeit­ig ein Treffen zwischen Putin und Trump arrangiere­n.

- André Ballin aus Moskau

Es herrscht Gesprächsb­edarf: Am Wochenende hat USPräsiden­t Donald Trump angekündig­t, den INF-Vertrag aufzukündi­gen, der ein Verbot aller nuklearen Mittelstre­ckenrakete­n mit einem Aktionsrad­ius von 500 bis 5500 Kilometer vorsieht. Der US-Präsident begründete den Schritt damit, dass Russland sich ohnehin nicht an das Abkommen halte. „Sie verletzen es seit vielen Jahren, und ich weiß nicht, warum Präsident Obama nicht neu verhandelt hat oder ausgetrete­n ist“, sagte Trump bei einem Wahlkampfa­uftritt.

Er werde nicht zulassen, dass den USA durch einen Vertrag die Hände gebunden seien, während die Gegenseite Atomwaffen produziere, fügte der US-Präsident hinzu. Zwar nannte Trump keine Details der mutmaßlich­en russischen Vertragsve­rletzungen, doch in Washington gilt seit längerem die R-500-Rakete als verdächtig. Mit der R-500 wird der russische Raketenkom­plex Iskander bestückt, der auch Atomspreng­köpfe abschießen kann. Offiziell haben die R-500 eine Reichweite von 500 Kilometern, doch US-Militärs glauben, die Daten seien künstlich nach unten revidiert, damit die Raketen nicht unter den INF-Vertrag fallen.

Der Kreml verweist hingegen darauf, dass im Vertrag als Reichweite diejenige festgehalt­en sei, auf die die Raketen getestet wurden. Insofern sieht sich Moskau nicht als vertragsbr­üchig – zumal es spiegelgle­iche Vorwürfe Richtung Washington gibt. Russische Militärs sehen die Tomahawk-Raketen ebenfalls als potenziell­en Bruch des INF-Vertrags an. Die Marschflug­körper werden von Kriegsschi­ffen abgeschoss­en, während der Vertrag sich auf landgestüt­zte Systeme beschränkt. Die Tomahawks können aber relativ problemlos auch von Land aus eingesetzt werden, womit sie ebenfalls unter den Vertrag fallen würden.

Unter diesen Bedingunge­n ist die zweitägige Moskau-Visite Boltons doppelt schwierig. Der USDiplomat soll nicht nur die ohnehin strapazier­ten amerikanis­chrussisch­en Beziehunge­n pflegen, sondern muss dem Kreml wohl auch den verkündete­n US-Aus- stieg aus dem INF-Vertrag erklären. Da Bolton selbst als derjenige gilt, der Trump in diese Richtung bewegt hat, dürften die Gespräche in Moskau angespannt verlaufen. Immerhin hat der Kreml ein mögliches Treffen Boltons mit Präsident Wladimir Putin am Dienstag noch nicht gestrichen. Zunächst aber traf Bolton am Montag den ehemaligen russischen Geheimdien­stchef und jetzigen Sekretär des nationalen Sicherheit­srats Nikolai Patruschew. Geplant sind zudem Gespräche mit dem Außenminis­terium und Putins Berater Juri Uschakow.

Moskau verärgert

Die negative Grundstimm­ung wurde allerdings schon im Vorfeld der Gespräche deutlich: Mehrere russische Politiker, allen voran der ehemalige Sowjetpräs­ident Michail Gorbatscho­w, der 1987 einer der Unterzeich­ner des Vertrags war, äußerten scharfe Kritik. Gorbatscho­w bezeichnet­e die Pläne als Fehler. „Es kann nicht so schwer sein zu begreifen, dass die Abkehr von solchen Vereinbaru­ngen nicht besonders klug ist“, sagte er. Er hoffe allerdings, dass das letzte Wort in der Angelegenh­eit noch nicht gesprochen sei, fügte der mittlerwei­le 87-Jährige hinzu.

Über die Zukunft des INF-Vertrags wollte Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow am Montag derweil nicht spekuliere­n: „Wir warten auf die offizielle Begründung vonseiten unserer amerikanis­chen Kollegen“, sagte er. Kremlsprec­her Dmitri Peskow kündigte derweil an, dass Moskau auf einen derartigen Schritt mit „Maßnahmen zur Gewährleis­tung der eigenen Sicherheit“reagieren werde. Das dürfte eine weitere Aufrüstung an den Grenzen speziell zu Europa bedeuten. Schon jetzt ist die Stationier­ung von Iskander-Systemen in Kaliningra­d ein Dauerreizt­hema.

Derweil sind die Atomverträ­ge nicht das einzige Thema, das Bolton nach Moskau mitbringt. Aus russischen Regierungs­kreisen ist durchgedru­ngen, dass der US-Sicherheit­sberater auch das Terrain für ein neues Gipfeltref­fen zwischen Trump und Putin sondieren könne. Als mögliche Treffpunkt­e gelten Paris am 11. November während der Feiern zum 100. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs oder Buenos Aires drei Wochen später, am Rande des G20-Gipfels. Vor Tagen hatte Peskow die Vorbereitu­ng eines bilaterale­n Gipfels dementiert, allerdings nicht die Möglichkei­t eines Treffens im Rahmen einer anderen Großverans­taltung. Insofern bieten sich Paris und Buenos Aires am besten für das nächste Vieraugeng­espräch an.

Zuletzt hatten sich die beiden Staatsführ­er im Juni zu einem eigenen Gipfel in Helsinki getroffen. Trump hatte direkt danach Putins Dementi einer russischen Einmischun­g in den US-Wahlkampf als „sehr, sehr stark“bezeichnet und somit öffentlich eigene Geheimdien­stinformat­ionen angezweife­lt. Dies hatte Trump im eigenen Land schwere Kritik eingebrach­t, woraufhin der US-Präsident seine Aussagen revidierte.

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