Riad verfällt im Fall Khashoggi in Hektik
Im Fall Khashoggi wächst der Druck auf SaudiArabien. Während in der Türkei von neuen Indizien die Rede ist, die Kronprinz Mohammed bin Salman belasten könnten, droht Riad verdeckt damit, den Ölhahn zuzudrehen.
Beruhigung sieht anders aus. Statt mit dem Teilgeständnis zum Mord am Journalisten Jamal Khashoggi die internationalen Wogen zu glätten, musste sich Saudi-Arabien am Montag gegen neue Vorwürfe verteidigen. Denn dass der saudische Journalist Anfang Oktober bei seinem Besuch im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul bei einem Faustkampf gestorben oder, wie es später hieß, erstickt sein soll, wird Riad im besten Fall nicht geglaubt.
Im schlechteren könnte sich die Angelegenheit nun ausweiten: Der türkische Präsident Tayyip Erdogan kündigte an, bis heute, Dienstag, „die nackte Wahrheit“über die Tat enthüllen zu wollen. Schon am Vortag deuteten regierungsnahe Kolumnisten in Ankara an, die Türkei habe Indizien für eine direkte Mordverstrickung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS). Auch wirtschaftlich gibt es für die Saudis einen Rückschlag: Siemens-Chef Joe Kaesar kündigte nach langem Zögern am Montag an, nicht an der saudi-arabischen „Future Investment Conference“diese Woche teilzunehmen.
Aus Riad gab es derweil einen Schwall an neuen Erklärungsversuchen und Drohungen, die den starken Eindruck hektischen Krisenmanagements vermittelten: So meldete sich etwa der saudi-arabische Ölminister Khalid al-Falih in einem Interview mit der russischen Agentur Tass zu Wort und teilte mit, niemand in Riad habe die Absicht, Ölfördermengen zu drosseln oder den Rohstoff „als politische Waffe zu nutzen“. Ähnlich, aber deutlicher hatte die Drohung ein ungenannter saudischer Beamter vor einer Woche formuliert: Das Ausland solle bei einer Reaktion auf den Mord „die bedeutende Rolle des Königreichs in der Weltwirtschaft“bedenken.
Kurz zuvor hatte Außenminister Adel al-Jubeir in einem Interview mit Fox News eine neue Version zum Mord an Khashoggi präsentiert: Es habe sich um eine „nichtautorisierte“Aktion gehandelt, über die Kronprinz MbS nicht informiert gewesen sei. Die Täter hätten „den Fehler gemacht, Khashoggi im Konsulat zu töten“, man werde sie dafür bestrafen.
Saudi in Kleidern des Toten
Daran, dass das so stimmen kann, gibt es erhebliche Zweifel. Türkische Ermittler gehen davon aus, dass Khashoggi von einem eigens dafür angereisten 15-köpfigen Einsatzkommando im Konsulat gefoltert, ermordet und zerstückelt wurde. Die Washington Post und CNN berichteten von Videoaufnahmen, die einen der Verdächtigen nach dem Mord in jener Kleidung zeigen, die Khashoggi vor seinem Verschwinden getragen hatte. Die islamistische türki- sche Zeitung Yeni Şafak schrieb, der Geheimdienst habe herausgefunden, dass ein ehemaliger Leibwächter von MbS, der nun als Verdächtiger gilt, von Ankara aus viermal mit dem Büro des Kronprinzen und einmal mit jenem von dessen Bruder telefoniert habe. Dieser, Khaled bin Salman, ist Botschafter in den USA. Türkische Ermittler luden am Montag 30 Konsulatsmitarbeiter vor.
US-Präsident Donald Trump, der die Saudi-Araber mit Verweis auf Rüstungsdeals im Wert von 450 Milliarden US-Dollar bisher verteidigt hatte, sprach am Montag von „Lügen“Riads. Er denke Sanktionen an. Die Rufe danach werden in vielen Ländern lauter.