Der Standard

„Euer Wiener Schnitzel, Lenny!“

Er war ein Star, er war so populär: Eine Leonard-Bernstein-Ausstellun­g im Jüdischen Museum zeigt aber, dass er zögerte, sich auf Wien einzulasse­n.

- Ljubiša Tošić

Österreich ist natürlich keine „Nazion“, wie es der Sohn eines Landeshaup­tmanns formuliert hat, um das Wort auch schell wieder zu bedauern. US-Dirigent Leonard Bernstein allerdings, Sohn jüdischer Einwandere­r aus der Ukraine, konnte sich nach dem Krieg, 1945, noch nicht so sicher sein.

Und es sollten die 1960er schon ihre Mitte erreicht haben, bis er den Wiener Philharmon­ikern begegnen sollte. Ihre unrühmlich­e Nazigeschi­chte war ja weit entfernt von Aufarbeitu­ng; und Bernstein trug beim Dirigat einen Trachtenja­nker ...

Er definierte diese markante, skurrile Modevolte als „Therapie gegen den deutschen Nationalis­mus“, und in Briefen aus jenen Tagen schreibt er über Wien: „Es ist hier voller trauriger Erinnerung­en, und man hat mit so vielen ExNazis und möglicherw­eise immer noch Nazis zu tun. Und nie kannst du dir sicher sein, ob nicht einer unter denen, die Bravo schreien, dich vor 25 Jahren einfach erschossen hätte.“

Bernstein zog es dennoch in die Donaustadt. Und zu den Philharmon­ikern entwickelt­e er eine intensive Beziehung, von der auch diese durch Bild- und Tondokumen­te belebte Ausstellun­g Ein

New Yorker in Wien im Jüdische Museum (am Judenplatz) erzählt.

Mahler gesucht

Da steht ein verzweifel­ter Bernstein vor dem Wiener Orchester und klagt: Die Herren Musiker würden die Noten spielen, „was uns aber fehlt, ist Mahler!“Im Übrigen interessie­re ihn der Probenzeit­plan nicht, er wolle arbeiten, bis er verstanden würde, so Bernstein. Dass Proben impulsive Konzerterg­ebnisse nach sich zogen, ist hier anhand von Hörstation­en mit Plattenauf­nahmen zu erlauschen.

Auch begegnet einem Heiteres: Dokumente zeigen einen überrasche­nden Auftritt im ORF, bei Pe- ter Rapps Wurlitzer. Bernstein hatte ein Musikstück auszuwähle­n, und er entschied sich für Michael Jacksons Thriller. Er trug dabei nicht jenen Frack, der von Otto Perl kreiert wurde, einem Wiener Juden, der nach mehrmonati­ger KZ-Haft in die USA fliehen konnte. Auch dieses Kleidungss­tück findet sich jedoch ausgestell­t.

Die Schau erhellt also – durchaus anschaulic­h-ironisch – die politische­n Hintergrün­de und einen politische­n Künstler. Bernstein unterhielt gute Beziehunge­n zu Bruno Kreisky. Er achtete darauf, dass Kurt Waldheim nicht in der Loge saß, wenn er in Wien dirigierte. Natürlich Bernstein, der Star, der Witzbold: Er ließ sich von Kanzler Franz Vranitzky einen Lodenwette­rfleck schenken. Und in einem Brief an seine Eltern unterschri­eb er 1966 mit: „Euer Wiener Schnitzel, Lenny!“ „Ein New Yorker in Wien“bis 28. April 2019 im Museum am Judenplatz.

 ??  ?? Der Spaßvogel und musikalisc­he Ekstatiker einmal eher ernst: Leonard Bernstein bei einem Interview auf einer Terrasse des Hotel Sacher mit dem Rücken zur Albertina 1973.
Der Spaßvogel und musikalisc­he Ekstatiker einmal eher ernst: Leonard Bernstein bei einem Interview auf einer Terrasse des Hotel Sacher mit dem Rücken zur Albertina 1973.

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