Der Standard

Er hat noch einen Koffer in Florenz

Eike Schmidts Bestellung zum Direktor des Kunsthisto­rischen Museums verwundert­e viele. Jetzt munkeln italienisc­he Medien, dass er lieber an den Uffizien bleiben würde. Blödsinn, sagt er. Unklar bleibt das Übergangss­zenario.

- Olga Kronsteine­r

Die Gerüchtekü­che brodelt seit Monaten. Eike Schmidt liebäugle damit, in Italien zu bleiben und seine Arbeit als Direktor der Uffizien fortzusetz­en. Obwohl er Wien, dem Kunsthisto­rischen Museum (KHM) und dem Ministeriu­m eigentlich im Wort steht. Nahrung bekam der Flurfunk der Museumswel­t über italienisc­he Medienberi­chte Anfang Oktober. Darin betonte der gebürtige Deutsche seine tiefe und auch private Verbundenh­eit zu Florenz.

Der Tenor: Er habe sich für das KHM entschiede­n, weil die Zukunft in Italien im Hinblick auf eine Verlängeru­ng seiner Amtsperiod­e eine derart unsichere gewesen sei. Die Möglichkei­t für einen Verbleib in der Toskana wollte er gegenüber italienisc­hen Medien nicht ausschließ­en. Nur so viel: Darüber müsste man mit den Österreich­ern reden.

Das wirkt, als ob hier jemand wahlweise zu pendeln gedenkt oder kalte Füße bekommen hätte. Das sorgt für weitere und an Irritation­en ohnedies reichen Causa. Natürlich hatte Thomas Drozda (SPÖ) Eike Schmidt Anfang September 2017 nicht mal eben aus dem Hut gezaubert. Das Bestellung­sverfahren war von einem Headhunter begleitet worden. 15 Kandidaten hatten sich beworben, dem Vernehmen nach mehrheitli­ch solche aus dem Bereich moderner und zeitgenöss­ischer Kunst.

Verbleib in Florenz bis Vertragsen­de

Am Ende waren es nur noch zwei: Die solide Sabine Haag, seit 2009 wissenscha­ftliche Leiterin des KHM-Verbunds, und eben Eike Schmidt, der noch keine zwei Jahre Direktoren­luft an den Uffizien geschnuppe­rt hatte. Theoretisc­h sollte der nunmehr 50-Jährige am 1. Jänner seinen Dienst am KHM antreten. Praktisch läuft seine Amtszeit in Florenz erst mit 31. Oktober 2019 aus. Dass er diesen Vertrag erfüllen wird, daran ließ Schmidt nie Zweifel aufkommen.

Allerdings klingt Sabine Haags Ära schon Ende dieses Jahres aus, konkret in zehn Wochen. Für die Monate danach bedarf es deshalb einer Übergangsl­ösung, die laut Δtandard- Informatio­nen noch nicht geklärt ist. Drozda hatte ursprüngli­ch von einem „Übergangss­zenario“mit der noch amtierende­n Generaldir­ektorin gesprochen. Sabine Haag, die bei der Bestellung Schmidts auf Urlaub weilte, erfuhr von alledem aus den Medien. Kurz vor der Nationalra­tswahl kam es zu einem Treffen. Sie sagte zu. Man sei übereingek­ommen, dass diese Variante nicht nur eine schlüssige, sondern die für das KHM bestmöglic­he wäre, erzählt Haag.

Der zugehörige Vertragsen­twurf mag eine Formalie sein, Fakt ist, eine neue Regierung und viele Monate später liegt er noch nicht vor. Das sorgt für weitere Irritation, nicht nur im KHM selbst, sondern auch bei Kooperatio­nspartnern des Museums und Sponsoren ebenso. Es wird eine Ausschreib­ung geben, war auf aktuelle Anfrage aus dem Büro von Kulturmini­ster Gernot Blümel zu erfahren. Wann? Zeitnah.

Ausstiegsk­lausel Ja oder Nein?

Schmidts Berufung nach Wien hatte auch in Rom und in Florenz für Unmut gesorgt. Die Gewerkscha­ft war erzürnt, Schmidt habe die öffentlich­e Verwaltung brüskiert und solle abtreten. Die Ausfuhrgen­ehmigung einer für die Rubens-Ausstellun­g im KHM längst zugesagten Leihgabe wurde zwei Wochen vor der Eröffnung im Oktober 2017 zurückgezo­gen. Daran konnte auch Eike Schmidt nichts ändern, wiewohl sie zu „seinem“Bestand gehörte.

Seine Entscheidu­ng für die Wiener Institutio­n war zeitgleich Wasser auf den Mühlen all jener in Italien, denen die Vergabe von Direktoren­posten an Nichtitali­ener 2015 als Teil einer Museumsref­orm ein Dorn im Auge war. Im Mai 2017 hatte ein Verwaltung­sgericht in Rom die Ernennung mehrer ausländisc­her Museumsdir­ektoren gekippt. Eike Schmidt war nicht darunter, aber er bestätigt ein Klima massiver Unsicherhe­it, etwa auch im Hinblick auf seine eigene Vertragsve­rlängerung an den Uffizien. Genau in diese Phase fiel das Bewerbungs­verfahren in Wien. Mit Verweis auf die europäisch­en Gesetze wischte der Staatsrat in Rom diese Angelegenh­eit erst jüngst im Juni vom Tisch.

Auch auf dem Wiener Ballhauspl­atz sollen eingangs erwähnte Medienberi­chte für einiges Stirnrunze­ln gesorgt haben. Er sei teils falsch zitiert worden, betont Schmidt im Δtandard- Gespräch – etwa als es um die Frage ging, ob der Wiener Vertrag eine Ausstiegsk­lausel inkludiere­n würde für den Fall, dass er in Florenz bleiben wolle.

Wenn ihm Italiens neuer Kulturmini­ster nun eine Vertragsve­rlängerung für die Uffizien anböte? „Ich glaube, Italien wäre zu spät dran“, sagt Schmidt, „ich kann Wien ja nicht hängen lassen.“Das nächste Zeitfenste­r in Wien ende nach fünf Jahren: „Das wäre dann der richtige Zeitpunkt.“

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Eine Reihe von Fragezeich­en begleitete­n die Bestellung von Eike Schmidt zum Direktor des Kunsthisto­rischen Museum. Einige weitere kommen gerade hinzu.

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