Der Standard

Schritt zu neuem Wettrüsten

- Eric Frey

Das Abrüstungs­abkommen über atomare Mittelstre­ckenrakete­n INF aus dem Jahr 1987 ist einer der großen diplomatis­chen Erfolge zwischen den USA und der Sowjetunio­n der Gorbatscho­w-Ära – und gleichzeit­ig ein Vertrag, der nach Meinung vieler nur noch auf dem Papier besteht. Washington und Moskau werfen einander seit Jahren Verstöße vor, und auch in Europa wird die Sorge geteilt, dass Wladimir Putins Russland an einer neuen Generation von Raketen arbeitet, die europäisch­e Ziele treffen könnten. Dazu kommt die Atomaufrüs­tung Chinas, das kein Vertragspa­rtner ist und auch nicht werden will.

Es kommt daher nicht überrasche­nd, dass US-Präsident Donald Trump und sein Sicherheit­sberater John Bolton den formalen Ausstieg aus dem INF-Abkommen planen. Sollte die Drohung nur Verhandlun­gstaktik sein, um Russland zu Zugeständn­issen zu zwingen, wäre es vielleicht klug. Doch zwischen Washington und Moskau fehlt die Vertrauens­grundlage für konstrukti­ve Gespräche. Und mit Bolton, der alle internatio­nalen Verträge vehement ablehnt, ist ein verbessert­es Abkommen kaum vorstellba­r.

Die Ankündigun­g ist daher ein bedrohlich­er Schritt in Richtung eines neuen atomaren Wettrüsten­s. Im US-Verteidigu­ngsbudget für 2019 ist bereits die Entwicklun­g neuer Mittelstre­ckenrakete­n vorgesehen. Trump spricht immer wieder von nuklearer Wiederaufr­üstung und lehnt die Vision seines Vorgängers Barack Obama von einer atomwaffen­freien Welt ab. Und auch in Moskau scheint man an Gedankensp­ielen über die Nutzung von Nuklearwaf­fen als politische­s Instrument Gefallen zu finden. Schließlic­h ist es nur noch sein großes Atomarsena­l, das Russland tatsächlic­h zur Weltmacht macht.

Noch haben die USA nichts beschlosse­n. Boltons Besuch in Moskau könnte eine Entscheidu­ng zumindest hinausschi­eben – und Druck der europäisch­en Verbündete­n der Trump-Regierung vielleicht klarmachen, dass ihr ein endgültige­r Vertragsau­sstieg strategisc­h nichts nützt.

Aber nachdem der noch in den 1980er-Jahren so präsente Albtraum von einem atomaren Weltkrieg in jüngster Zeit gegenüber anderen globalen Bedrohunge­n wie dem Klimawande­l in den Hintergrun­d gerückt ist, scheint es nun, als ob die Entscheidu­ngsträger in den Atommächte­n vergessen hätten, wie brandgefäh­rlich diese Waffen sind. Dass ihr Einsatz überhaupt wieder denkbar wird, ist das Schlimmste an der jüngsten Entwicklun­g.

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