Der Standard

Die Eurozone ist erpressbar

Dank hoher Haftungen kann Italien der Währungsun­ion auf der Nase herumtanze­n

- Andreas Schnauder

Es hat den Anschein, dass sich die seit Gründung der Währungsun­ion anhaltende Kritik an der Konstrukti­on der Eurozone wieder einmal bestätigt. Diesmal ist es die Lage in Italien, die Risse im Fundament offenlegt. Das hohe Defizit, das Rom plant, macht Investoren und Europartne­r nervös. Sollte das drittgrößt­e Land der Währungsun­ion in eine echte Schieflage geraten, wäre das wohl das Ende der Eurozone.

Was das Tauziehen um die Einhaltung des Stabilität­spakts anbelangt, verblüffen die Spitzen von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung derzeit vor allem mit ihrem Umgangston. Bisher dominierte bei der Erfüllung der Fiskalrege­ln das Prinzip Tarnen und Täuschen: Schulden verstecken, mehr Zeit zum Defizitabb­au erbitten oder Budgetprob­leme in die Zukunft verschiebe­n zählten zu den beliebten Spielchen. Die EU-Partner drückten da gerne ein bis zwei Augen zu, um dann im Gegenzug selbst mit Milde rechnen zu dürfen, wenn sie in Probleme geraten sollten. Doch jetzt setzt Rom auf eine völlig neue Strategie: Die Budgetrege­ln und deren Einhaltung werden offen in Zweifel gezogen.

Dazu kommen recht markige Sprüche vom Terror der Märkte und der Versklavun­g durch die EU. Doch für derartige Schaukämpf­e ist die Lage viel zu explosiv. Die Verschuldu­ng Italiens war mit 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s schon vor Antritt der Regierung viel zu hoch. Angesichts zusätzlich­er Ausgabenpr­ogramme zeigen die Kreditgebe­r schon die gelbe Karte und verkaufen Staatsanle­ihen. Dadurch wiederum steigen die Zinskosten, die neue Löcher im Haushalt aufreißen. ls fatal in der derzeitige­n Situation erweisen sich die bisherigen Unterstütz­ungsleistu­ngen für Italien. Die Europäisch­e Zentralban­k hat rund ein Fünftel der italienisc­hen Schuldsche­ine auf ihre Bücher genommen. Das Geld wäre perdu, wenn Rom die Schulden nicht mehr tilgen sollte. Dazu kommen die noch höheren Verpflicht­ungen im EuroZahlun­gssystem Target II, für die es faktisch Haftungen der Währungsun­ion gibt. Die Eurozone hat sich durch die Übernahme dieser Risiken erpressbar gemacht. Die Abhängigke­it der anderen Euroländer wächst zudem wegen der Ansteckung­sgefahr, die ein Kollaps Italiens auslösen wür-

Ade. Weiterhin fungieren die Banken mit ihren hohen Forderunge­n gegenüber Italien als potenziell­e Brandbesch­leuniger. In dieser Situation mutet es geradezu grotesk an, dass die Geldinstit­ute ihre Ausleihung­en an Rom im Unterschie­d zu einem Firmenkred­it mit null Cent Eigenkapit­al unterlegen müssen, weil Kredite an Staaten als risikolos gelten.

Das sind denkbar schlechte Voraussetz­ungen, will Brüssel auf die Einhaltung der Fiskalrege­ln pochen. Italien kann der Währungsun­ion munter auf der Nase herumtanze­n. Natürlich wird sich Brüssel das verbal nicht ge- fallen lassen und ein Verfahren gegen Rom einleiten. Doch was bedeutet das faktisch? Es werden Warnungen ausgesproc­hen, Rückmeldun­gen abgewartet, neuerliche Prüfungen angestellt, weitere Empfehlung­en ausgesproc­hen. Mag sein, dass am Ende sogar eine kleine Geldbuße fällig wird.

Doch letztlich werden die italienisc­hen Populisten zumindest Zeit gewinnen, in der sie die Muskeln spielen lassen können. Das dürfte Schule machen. Wer macht nicht gerne unfinanzie­rbare Wahlverspr­echen, für die in letzter Konsequenz die gesamte Währungsun­ion geradesteh­en muss?

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