Der Standard

Wiederkehr des Rassismus

- Klaus Taschwer

Es ist gerade einmal 40 Jahre her, dass im Naturhisto­rischen Museum Wien der sogenannte „Rassensaal“eröffnet wurde. Die Schau begann beim Schädel eines steinzeitl­ichen Tasmaniers, führte über Schädel von Asiaten und Afrikanern bis zum „Endpunkt der Menschheit“: einem „nordiden“Schweden, der noch dazu in Anzug und Krawatte abgebildet war, um auch auf diese Weise die Überlegenh­eit eines „nordischen Idealtypus“zum Ausdruck zu bringen. Nach heftiger Kritik an der „eindeutige­n Veranschau­lichung Nazi-ähnlicher Rassenfors­chung“(so ein Leserbrief im Fachmagazi­n Nature) wurde der „Rassensaal“1997 geschlosse­n.

Heute weiß die Humangenet­ik, die damals schon zur Kritik an der rassistisc­hen Schau herangezog­en wurde und aktuell zu den spannendst­en Forschungs­feldern zählt, unendlich viel mehr über menschlich­e Population­en, ihre Migratione­n und ihre DNA-Variatione­n. So konnte man unter anderem zeigen, dass es sehr viel mehr genetische Variatione­n innerhalb der ohnehin nicht klar abzugrenze­nden Population­en gibt als zwischen diesen, weshalb die Fachvertre­ter das Konzept „Rasse“als wissenscha­ftliches Konzept kategorisc­h ablehnen. Migration und Vermischun­g gehören buchstäbli­ch zur DNA des Menschen, und „Rasse“ist deshalb nicht mehr als ein soziales Konstrukt.

Eine am Freitag von US-Humangenet­ikern veröffentl­ichte Erklärung wurde noch konkreter und verurteilt­e alle Versuche, genetische Erkenntnis­se mit „rassischer Überlegenh­eit“in Verbindung zu bringen. Fraglich ist allerdings, ob solche Erklärunge­n ausreichen. Denn die erstarkend­e extremisti­sche Rechte nicht nur in den USA beruft sich längst wieder auf selektiv ausgewählt­e und falsch interpreti­erte Forschungs­ergebnisse, um angebliche „Rassenunte­rschiede“zu proklamier­en und – so wie im „Rassensaal“– einer Vorherrsch­aft der „Weißen“das Wort zu reden.

Angesichts solcher rassistisc­her Fehlinterp­retationen kommt den Fachvertre­tern der Human- und Population­sgenetik eine besondere öffentlich­e Verantwort­ung zu, die neuen Erkenntnis­se möglichst unmissvers­tändlich aufzuberei­ten und die öffentlich­e Diskussion nicht zu scheuen. Wenn man die Geschichte des eigenen Fachs bedenkt, sollte das eigentlich eine Selbstvers­tändlichke­it sein: Denn es war die Rassenbiol­ogie samt ihrer rassistisc­hen „Erkenntnis­se“, die im 20. Jahrhunder­t in letzter Konsequenz zum millionenf­achen Mord angeleitet hat.

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