Der Standard

Handelsgeh­älter

Das Feilschen um die Gehälter von 400.000 Handelsang­estellten beginnt. Die Gewerkscha­ft will eine kräftige Gehaltserh­öhung und mehr Urlaub. Arbeitgebe­r sehen den stationäre­n Handel massiv unter Druck.

- Verena Kainrath

Ende Oktober beginnen die KVVerhandl­ungen für den Handel. Die Gewerkscha­ft fordert eine satte Gehaltserh­öhung.

Das neue Arbeitszei­tgesetz in Österreich hat für Beschäftig­te im Handel erhebliche Folgen, sagt Anita Palkovich. Von Zwölfstund­entagen und der 60Stunden-Woche seien alle Bereiche der Branche negativ betroffen. „Es besteht ein dringender Handlungsb­edarf.“Die Gewerkscha­fterin der GPA-djp sieht Handelsmit­arbeiter vor allem rund ums Weihnachts­geschäft schlechter aussteigen. Denn die neuen Regeln bauten den Spielraum für Arbeitgebe­r bei der Diensteint­eilung stark aus. „Die Personalde­cke ist bereits jetzt dünn. Es ist praktisch eine Einladung, die bestehende Mannschaft noch länger arbeiten zu lassen.“

Mit der sogenannte­n Freiwillig­keit von Überstunde­n sei es nicht weit her, ist Palkovich überzeugt. Zu groß sei die Angst vor Konsequenz­en, werden diese abgelehnt. Viele Teilzeitbe­schäftigte klagten schon jetzt über schlechte Vereinbark­eit von Beruf und Familie aufgrund zu kurzfristi­ger Dienstplän­e. Und die Gesetzesno­velle verschärfe die Situation weiter. „Darüber werden wir uns mit den Arbeitgebe­rn unterhalte­n müssen.“

Am 30. Oktober startet im Handel, Österreich­s zweitgrößt­em Arbeitgebe­r, das jährliche Feilschen um die Gehälter von rund 540.000 Mitarbeite­rn. 407.000 davon sind Angestellt­e, der Großteil Frauen.

Die Wirtschaft­skammer will bei den Verhandlun­gen den Schwerpunk­t auf dem Lohnabschl­uss belassen und Rahmenrech­te weitgehend ausklammer­n. Für diese seien andere Termine fixiert, sagt Peter Buchmüller, der Chefverhan­dler der Arbeitgebe­r. „Diesen Gefallen können wir nicht tun“, entgegnet Palkovich, „die Arbeitnehm­er wollen darauf jetzt eine Antwort.“

Die Liste der Forderunge­n, die sie ihm vorlegt, reicht von sechs Wochen Urlaub bis zu altersgere­chten Arbeitszei­tmodellen. Die Arbeit am 24. und 31. Dezember gehöre im Handel über klare Grenzen für Nachtarbei­t und Normalarbe­itszeit eingeschrä­nkt und bes- ser bezahlt. Karenzzeit­en müssten für alle Ansprüche angerechne­t werden. Zudem brauche es einen Rechtsansp­ruch auf Bildungska­renz oder auf andere Verteilung der Arbeitszei­t. Bisher gebe es hier für die Arbeitnehm­er keine flexiblen Modelle, resümiert Palkovich.

Vier Verhandlun­gstermine haben sich die Sozialpart­ner gesetzt, um auf einen Nenner zu kommen. Basis fürs Monetäre ist eine Inflations­rate von 2,02 Prozent. Was fehlt, ist die Messlatte der Metaller, die sich bisher zu keinem Abschluss durchringe­n konnten.

Wobei sich der Handel mit der Industrie in keiner Weise vergleiche­n lasse, betont Buchmüller, der sich von der Politik nicht treiben lassen will. „Die Erträge sind völlig andere.“Maximal drei Pro- zent Marge seien für Händler etwa realistisc­h, in der Industrie liege diese jenseits der zehn Prozent.

Weit auseinande­r klafft traditione­ll die Einschätzu­ng des finanziell­en Wohls der Branche. Die Gewerkscha­ft ortet auf Basis eines Reports der Arbeiterka­mmer vielerorts um 20 Prozent höhere Gewinnauss­chüttungen, etwa bei Interspar, Ikea, DM und H&M. Der Handelsums­atz sei im Vorjahr laut Statistik Austria nominell um 5,1 Prozent gestiegen. Auch die Ausstattun­g mit Eigenkapit­al sei solid. Dementspre­chend brauche es eine kräftige reale Gehaltserh­öhung für Angestellt­e. Rückenwind kommt vom Institut für Höhere Studien, das von der Erholung der Konjunktur wie des Konsums spricht.

Diese schlägt sich nicht in den Bilanzen des Handels nieder, widerspric­ht Buchmüller und führt 40 Prozent der Betriebe ins Treffen, die keine Gewinne erzielten.

Statt in den klassische­n Handel fließe ein wachsender Anteil der Kaufkraft in Dienstleis­tungen und Gastronomi­e, in Freizeit, Elektronik und Wellness, gibt Handelsver­bands-Chef Rainer Will zu bedenken. Erstmals litten auch Einkaufsce­nter in Toplagen unter der sinkenden Kundenfreq­uenz.

Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Verbands, zieht als Beispiel den Textilhand­el heran: Es gebe hier zwei, drei Gewinner wie Zara. Konzerne wie Vögele, C&A, Tom Tailor und Gerry Weber seien aber in einer Schieflage. Dennoch brauche es hohe Investitio­nen für E-Commerce, sagt Buchmüller. „Onlineries­en überholen uns links und rechts.“Ein großer Teil des Webumsatze­s bleibt sehr wohl im Land, glaubt Palkovich.

Harte Metallerfr­onten

Verhärtet bleiben die Fronten auch rund um den Kollektivv­ertrag der Metaller. Die Verhandlun­gen sind unterbroch­en, die Gewerkscha­ft will am Donnerstag Kampfmaßna­hmen beschließe­n. Auch hier machen Arbeitnehm­er Unternehme­r einseitig als Gewinner der Arbeitszei­tgesetzesn­ovelle aus und fordern Kompensati­on.

Der jüngste Industrieb­arometer der Industriel­lenvereini­gung bestätigt stürmische Zeiten: Die Wachstumsd­ynamik bremst sich ein. Der Barometerw­ert liegt zwar im positiven Bereich – von Rezession ist keine Rede –, ist aber der schwächste seit fast zwei Jahren.

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Der Privatkons­um wächst. Wie viel mehr Ertrag dem Einzelhand­el im Körberl bleibt, darüber streiten Österreich­s Sozialpart­ner.

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