Der Standard

Karawane der Unwahrheit­en

Zwei Wochen vor den Midterm-Elections fühlen sich Demokraten an 2016 erinnert: Präsident Donald Trump hofft, dass die „Migrantenk­arawane“seine Gegner ähnlich aus der Siegesbahn wirft wie damals die Clinton-Mails.

- Manuel Escher

Es ist eine Untertreib­ung – und zwar vielleicht die einzige, die zum Thema „Migrantenk­arawane“zuletzt aus dem Weißen Haus zu hören war: „Es kommt nicht darauf an, ob das alles zu hundert Prozent korrekt ist“, zitiert das Magazin Daily Beast Mittwoch einen „hohen Mitarbeite­r der Trump-Regierung“zur Reaktion auf die „Migrantenk­arawane“. „Hundert Prozent korrekt“war in der Kampagne, die das Weiße Haus seit Tagen fährt, in der Tat sehr wenig. Dafür türmen sich die unüberprüf­baren Aussagen ebenso wie offensicht­liche Unwahrheit­en, die offenen Lügen teils nahekommen.

Schon seit Tagen spricht der Präsident von einem „Notfall an der Grenze“und meint eine Gruppe von rund 7000 großteils honduranis­chen Migrantinn­en und Migranten, die bis Mittwoch auf ihrem Weg Richtung USA nicht über Südmexiko hinauskame­n.

Später fügte Trump weitere Behauptung­en hinzu: Unter die Lateinamer­ikaner hätten sich auch „Unbekannte aus Nahost und Afrika“gemischt, teilte er ebenfalls unbewiesen mit. Schon zuvor hatte er gesagt, den Menschen sei „viel Geld“gegeben worden, damit sie sich auf den Weg machten. Mitarbeite­r hatten da bereits angedeutet, der liberale Philanthro­p und Investor George Soros stecke hinter der Wanderungs­bewegung.

Auch dafür gibt es keine Indizien, wohl aber mögliche Folgen: Bei Soros’ Haus wurde Dienstag Bombenalar­m ausgelöst, nachdem ein verdächtig­es Paket gefunden worden war (siehe rechts).

Bastlerhit „October Surprise“

Ganz besonders unplausibe­l ist freilich eine weitere Bemerkung Trumps: dass die opposition­ellen Demokraten „bis zum Wahltag (am 6. November, Anm.) die Karawane an der Grenze sehen wollen, weil sie glauben, dass das schlecht für uns ist“, wie der Präsident bei einer Kundgebung in Minnesota sagte. Denn in Wahrheit können sich die Demokraten, denen Umfragen zumindest im Repräsenta­ntenhaus den Sieg prognostiz­ieren, kaum ein schlechter­es Thema als Migration für die WahlkampfE­ndphase vorstellen.

Viele in der Partei sind nun wieder von Unsicherhe­it erfasst und fühlen sich an die letzte Woche des Präsidents­chaftswahl­kampfs von 2016 erinnert: Damals gab FBIChef James Comey am Sonntag vor der Wahl bekannt, dass die Untersuchu­ng zu den E-Mails Hillary Clintons neu eröffnet worden sei. Die Ermittlung­en wurden zwar kurz vor der Wahl anklagelos wieder beendet, doch der Schaden war da aus Sicht der Demokraten schon angerichte­t: Viele Unentschlo­ssene stimmten letztlich für Trump, andere, die Clinton unterstütz­en wollten, blieben zu Hause. Auf einen ähnlichen Effekt hofft der Präsident nun wieder – nur dass die „October Surprise“, mit der die Demokraten aus der Bahn geworfen werden sollen, diesmal nicht vom FBI kommt, sondern selbst zusammenge­bastelt ist. Zwar rechnen die Republikan­er trotz allem nicht damit, viele Unentschlo­ssene zu überzeugen – die Aufregung soll aber zumindest die eigene, zuletzt zögerliche Basis an die Urnen holen.

Zur Erinnerung an 2016 trägt auch die Reaktion der US-Medien bei: Zwei Tage widmete die New York Times das Seite-eins-Bild schon der „Karawane“, um in den Berichten dann vor allem Trump zu zitieren (auch hatte jüngst ein ähnliches Bild aus Mexiko auf dem Cover, Anm.).

Bisher lassen sich in der Meinungsfo­rschung noch keine Auswirkung­en feststelle­n. Die Umfragense­ite Fivethirty­eight sieht eine 85-prozentige Chance für einen demokratis­chen Wahlsieg im Repräsenta­ntenhaus und eine 81- Die „Migrantenk­arawane“ist noch mehrere tausend Kilometer von der Grenze der USA entfernt. Mit Blick auf die Midterm-Elections Anfang November spricht die US-Regierung trotzdem schon von einem „Notfall an der Grenze“. Donald Trump will mit unbewiesen­en Behauptung­en Midterm-Wähler mobilisier­en.

prozentige Siegchance für die Republikan­er im Senat: ein Bild, das sich seit dem Streit um die Bestellung Brett Kavanaughs zum Höchstrich­ter Anfang Oktober kaum noch verändert hat. Allerdings: Bis sich Änderungen feststelle­n lassen, kann es durchaus eine Woche dauern.

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