Koalition setzt Indexierung der Familienbeihilfe durch
Für Kinder, die in ärmeren Ländern leben, gibt es trotz Europarechts-Bedenken künftig weniger Geld
– Sozialrechtliche Themen beherrschten die Nationalratsdebatte am Mittwoch: Da ging es einerseits um den Beschluss der umstrittenen Indexierung von Familienleistungen für Kinder, die im Ausland leben – ein Kernanliegen der türkis-blauen Koalition.
Andererseits beschäftigte den Nationalrat die Kassenreform, zu der es eine Dringliche Anfrage gegeben hat. Und schließlich brachte die SPÖ (teilweise mit den anderen Oppositionsparteien gemeinsam) eine Reihe von Anträgen zur Wiedereinführung von arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen ein, die die Koalition abgeschafft hatte – so wollten die Sozialdemokraten eine Wiederein- führung der Aktion 20.000 für ältere Arbeitnehmer plus eine Beschäftigungsgarantie für Menschen über 50. Das wurde ebenso abgeschmettert wie der Wunsch nach Öffnung von Lehrberufen für abgelehnte Asylbewerber.
Zentraler Punkt der Debatte war aber die Indexierung der Familienbeihilfe. Sie wird den Lebenserhaltungskosten in jenem Land angepasst, in dem das Kind von in Österreich Beschäftigten lebt. Westeuropäer werden teilweise sogar mehr beziehen, Osteuropäer dagegen empfindliche Einbußen hinnehmen müssen.
Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und der VPAbgeordnete Norbert Sieber rela- tivierten dies freilich. Die Summe werde auch nach der Indexierung über der Familienbeihilfe des jeweiligen Landes liegen, versicherten die beiden. Wie Sieber betonte, sei es ja derzeit so, dass etwa ein Rumäne für sein Kind das Sechsfache der Leistung im Herkunftsstaat erhalte.
Verwiesen wurde von den VPVertretern sowie von der freiheitlichen Abgeordneten Edith Mühlberghuber ferner darauf, dass ein Gutachten des Sozialexperten Wolfgang Mazal vorliege, wonach die Neuregelung europarechtskonform sei. Rechtskonformität sei nämlich der Regierung „extrem wichtig“, wie Bogner-Strauß formulierte. Genau das habe die EU Großbritannien zugestanden, als der damalige Premierminister David Cameron noch hoffte, mit solchen Zugeständnissen ein Brexit-Votum abwenden zu können.
Die Opposition hielt am Mittwoch ihre europarechtlichen Bedenken aufrecht. Neos-Mandatar Michael Bernhard erinnerte etwa daran, dass bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit festgelegt sei, dass sämtliche offenen und versteckten Diskriminierungen von Arbeitnehmern aus anderen Staaten verboten seien.
Liste-Pilz-Mandatarin Daniela Holzinger-Vogtenhuber fragte sich, warum die Regierung, wenn sie solch eine Regel schon wolle, nicht auf EU-Ebene für eine ent- sprechende Änderung kämpfe, statt die Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens einzugehen. Gleichzeitig betonte sie, dass die Familienbeihilfe von 24-StundenPflegerinnen natürlich als Gehaltsbestandteil angesehen werde, wenn die für ihre Betreuungsdienste mit gerade einmal zwei Euro pro Stunde entlohnt würden.
Bogner-Strauß wiederum argumentierte mit dem Kostenfaktor. Durch die Indexierung würden über 100 Millionen eingespart, die für die Familien in Österreich verwendet werden könnten. Eine Diskriminierung sieht die Ministerin nicht: „Wir behandeln damit alle Kinder gleich, es kommt nur darauf an, wo sie wohnen.“(cs, APA)