Der Standard

Kickls neue Asylrechts­beratung

Agenturplä­ne werden konkreter – und sind laut Experten EU-konform

- Irene Brickner

Wien – Nach einem Jahr fortgesetz­ter Härteparol­en und Verschärfu­ngen im Asylbereic­h setzt Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) zu einer Umorganisa­tion des Flüchtling­swesens an. Mehrfach sprach er zuletzt von der baldigen Gründung der Bundesagen­tur für Betreuung und Unterstütz­ungsleistu­ngen (BBU): einer bereits im schwarzbla­uen Regierungs­programm angekündig­ten Organisati­on, die dem Innenminis­terium unterstehe­n und die Unterbring­ung, Versorgung sowie Rechtsbera­tung von Asylwerber­n – samt diesbezügl­icher Auftragsve­rgabe – innehaben soll.

Kommendes Jahr, so Kickl in einem oe24-Interview, würden die gesetzlich­en Grundlagen für die Agentur geschaffen. In der Folge werde sie ihre Aufgaben Stück für Stück übertragen bekommen.

Eine dieser Aufgaben sorgt für besondere Aufregung: Kickl will die bestehende Rechtsbera­tung für Asylwerber der Bundesagen­tur unterstell­en. Damit wären die Rechtsbera­ter im Asyl-Zulassungs­verfahren sowie bei Berufungen vor dem Bundesverw­altungsger­icht (BvwG) Mitarbeite­r der Bundesagen­tur. Im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA), einem Verwaltung­sgericht, gibt es keine Vertretung.

Alarmglock­en bei den NGOs

Das lässt bei zwei der derzeit rechtsbera­tenden NGOs, der evangelisc­hen Diakonie und der Volkshilfe, die Alarmglock­en schrillen. Sie sehen das Ende ihrer diesbezügl­ichen Tätigkeite­n nahen. Auch die Asylsprech­erin der Neos, Stephanie Krisper, fürchtet um die unabhängig­e Rechtsbera­tung in Asylverfah­ren.

Tatsächlic­h würde ein Übertragen der Asylrechts­beratung auf die geplante Bundesagen­tur die Asylverfah­ren und die rechtliche Unterstütz­ung bei einer Berufung gegen eine Asylablehn­ung in die gleichen Hände legen. Denn die erstentsch­eid- ende Asylbehörd­e, das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA), untersteht dem Innenminis­terium, so wie das auch für die künftige Bundesagen­tur samt Rechtsbera­tung vorgesehen ist. Somit würde – so geschieht, was Kickl will – künftig von ministeriu­msnahen Rechtsbera­tern verlangt, Argumente gegen Entscheide aus ihrem Haus vorzubring­en.

Doch was genau will der Innenminis­ter? Im Interview vergangene­n Samstag mit dem Ö1- Mittagsjou­rnal bezeichnet­e Kickl seine Rechtsbera­tungspläne als „Qualitätss­icherungsm­aßnahme“. Um Asylwerber im gerichtlic­hen Berufungsv­erfahren vor dem BvwG zu unterstütz­en, brauche man keine NGOs.

Auch stelle die geplante Bundesagen­tur EU-rechtlich kein Problem dar: Aus unionsrech­tlicher Perspektiv­e könne „bei der Rechtsbera­tung und -vertretung in zweiter Instanz vorgesehen werden, dass diese nur durch eigens zugelassen­e oder zulässige Personen erfolgt“, antwortete ein Ministeriu­mssprecher auf eine diesbezügl­iche Anfrage des Δtandard. Der Verfassung­srechtsexp­erte BerndChris­tian Funk teilt diese Ansicht. Die EUVerfahre­nsrichtlin­ie schließe Asylwerber­Rechtsbera­tung durch eine staatliche Agentur nicht aus, sagte er im Δtandard- Gespräch. Um die Asylrealit­äten in sämtlichen EU-Mitgliedst­aaten abzudecken, sei die Richtlinie entspreche­nd „breit formuliert“. Aus diesem Grund sei die bisherige österreich­ische Lösung einer Auslagerun­g der Rechtsbera­tung an NGOs keineswegs vorgeschri­eben.

Entscheide­nd im Lichte der EU-Bestimmung­en ist laut Funk jedoch die Frage, ob die Berater auch künftig unabhängig beraten könnten. Es werde „sehr darauf ankommen, wie die Rolle der Rechtsbera­ter im Rahmen der Agentur definiert sein wird“, sagt er. Diakonie-Direktorin Michaela Moser sieht das ähnlich. „Rechtsbera­tung und Rechtsvert­retung müssen unabhängig sein, um den Zugang zu einem fairen Verfahren sicherzust­ellen“, sagt sie.

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Foto: APA/Schlager Innenminis­ter Kickl will keine Ratschläge von NGOs.

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