Trotz UN-Rüge keine Lösung für Behinderten in Tirol
17 Jahre kämpft Familie Bacher nun schon für einen überdachten Zugang zu ihrem Haus. Obwohl sich sogar die Uno in dem Fall eingeschaltet hat, reagiert der Bund bislang nicht und lässt die Betroffenen allein.
Es sind nur 35 Meter. Doch für Simon Bacher ist der steile Weg von seinem Elternhaus hinauf zur Straße, wo er jeden Morgen von der Lebenshilfe abgeholt wird, eine riesige Hürde. Vor allem im Winter wird der Zugang zur unüberwindbaren Barriere für den 29-Jährigen, der mit einer schweren Form von Trisomie 21 geboren wurde.
Daher sollte der Weg 2001 überdacht werden. Die Gemeinde Vomp bewilligte das Vorhaben, das Land Tirol förderte großzügig. Doch ein Nachbar, der sein Grundstück samt Gartenhaus geerbt hatte und Servitutsrecht am Weg besaß, klagte, weil sein Luftraum verletzt werde. Die Gerichte gaben ihm recht. Auf Bundesebene wurde entschieden, das Dach wieder abreißen zu lassen.
Die Reste davon liegen heute noch hinterm Haus. Der Nachbar, dessen Grundstück in Bauland umgewidmet und verkauft wurde, ist längst weg. Auf Nachfrage will Mario R. nichts zu dem Fall sagen. Für ihn sei „die leidige Angelegenheit“längst erledigt. Nicht so für die Bachers.
Sie kämpfen seitdem gegen die offenkundige Missachtung der Rechte Behinderter durch die österreichische Justiz. Das hat die Uno im März dieses Jahres festgestellt, nachdem die Familie in letzter Verzweiflung eine Individualbeschwerde eingereicht hatte.
„Beschämende“Reaktion
Österreichs Antwort auf diese Erkenntnis der Uno ist „beschämend“, wie Sozialwissenschafterin Petra Flieger erklärt, die der Familie seit Jahren beisteht. Denn statt sich bei den Bachers zu melden oder sich um eine Lösung zu bemühen, übermittelte die Republik den Vereinten Nationen eine Sachverhaltsdarstellung, die nicht der Wahrheit entsprach. Darin wurde festgestellt, es gäbe keinerlei Probleme mehr. Der Fall Bacher sei mittlerweile dank eines behindertengerechten Tiefgaragenplatzes im neugebauten Nachbarhaus erledigt. Simon habe damit einen direkten barrierefreien Zugang. Auch finanzielle Hilfe benötige die Familie keine mehr.
Der Tiefgaragenplatz wurde zwar mittlerweile tatsächlich um 35.000 Euro von den Bachers in Eigenregie gekauft – „mit unserem letzten Geld“, wie Mutter Sue erklärt. Doch beim Lokalaugenschein vergangene Woche war er noch nicht einmal zugänglich, da erst Anfang November Schlüsselübergabe ist. Dass daher keine „dringende Notwendigkeit“mehr für die Wegüberdachung bestehe, wie von der Republik behauptet, komme einer „Verhöhnung“gleich, so Flieger.
Um das Dach endlich wieder errichten zu können, müssten die Bachers nun ihren anderen Nachbarn entgegenkommen. Die machen ihre Zustimmung nämlich davon abhängig, dass die Familie künftig auf Einsprüche bei deren Bauvorhaben verzichtet. Die Bachers fühlen sich unter Druck gesetzt und zögern mit der Unterschrift. Doch die Zeit drängt, denn schon bald fällt der erste Schnee.