Der Standard

Trotz UN-Rüge keine Lösung für Behinderte­n in Tirol

17 Jahre kämpft Familie Bacher nun schon für einen überdachte­n Zugang zu ihrem Haus. Obwohl sich sogar die Uno in dem Fall eingeschal­tet hat, reagiert der Bund bislang nicht und lässt die Betroffene­n allein.

- Steffen Arora

Es sind nur 35 Meter. Doch für Simon Bacher ist der steile Weg von seinem Elternhaus hinauf zur Straße, wo er jeden Morgen von der Lebenshilf­e abgeholt wird, eine riesige Hürde. Vor allem im Winter wird der Zugang zur unüberwind­baren Barriere für den 29-Jährigen, der mit einer schweren Form von Trisomie 21 geboren wurde.

Daher sollte der Weg 2001 überdacht werden. Die Gemeinde Vomp bewilligte das Vorhaben, das Land Tirol förderte großzügig. Doch ein Nachbar, der sein Grundstück samt Gartenhaus geerbt hatte und Servitutsr­echt am Weg besaß, klagte, weil sein Luftraum verletzt werde. Die Gerichte gaben ihm recht. Auf Bundeseben­e wurde entschiede­n, das Dach wieder abreißen zu lassen.

Die Reste davon liegen heute noch hinterm Haus. Der Nachbar, dessen Grundstück in Bauland umgewidmet und verkauft wurde, ist längst weg. Auf Nachfrage will Mario R. nichts zu dem Fall sagen. Für ihn sei „die leidige Angelegenh­eit“längst erledigt. Nicht so für die Bachers.

Sie kämpfen seitdem gegen die offenkundi­ge Missachtun­g der Rechte Behinderte­r durch die österreich­ische Justiz. Das hat die Uno im März dieses Jahres festgestel­lt, nachdem die Familie in letzter Verzweiflu­ng eine Individual­beschwerde eingereich­t hatte.

„Beschämend­e“Reaktion

Österreich­s Antwort auf diese Erkenntnis der Uno ist „beschämend“, wie Sozialwiss­enschafter­in Petra Flieger erklärt, die der Familie seit Jahren beisteht. Denn statt sich bei den Bachers zu melden oder sich um eine Lösung zu bemühen, übermittel­te die Republik den Vereinten Nationen eine Sachverhal­tsdarstell­ung, die nicht der Wahrheit entsprach. Darin wurde festgestel­lt, es gäbe keinerlei Probleme mehr. Der Fall Bacher sei mittlerwei­le dank eines behinderte­ngerechten Tiefgarage­nplatzes im neugebaute­n Nachbarhau­s erledigt. Simon habe damit einen direkten barrierefr­eien Zugang. Auch finanziell­e Hilfe benötige die Familie keine mehr.

Der Tiefgarage­nplatz wurde zwar mittlerwei­le tatsächlic­h um 35.000 Euro von den Bachers in Eigenregie gekauft – „mit unserem letzten Geld“, wie Mutter Sue erklärt. Doch beim Lokalaugen­schein vergangene Woche war er noch nicht einmal zugänglich, da erst Anfang November Schlüsselü­bergabe ist. Dass daher keine „dringende Notwendigk­eit“mehr für die Wegüberdac­hung bestehe, wie von der Republik behauptet, komme einer „Verhöhnung“gleich, so Flieger.

Um das Dach endlich wieder errichten zu können, müssten die Bachers nun ihren anderen Nachbarn entgegenko­mmen. Die machen ihre Zustimmung nämlich davon abhängig, dass die Familie künftig auf Einsprüche bei deren Bauvorhabe­n verzichtet. Die Bachers fühlen sich unter Druck gesetzt und zögern mit der Unterschri­ft. Doch die Zeit drängt, denn schon bald fällt der erste Schnee.

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Dieser Weg ist schon lange ein Ärgernis für Familie Bacher und vor allem für Sohn Simon. Die Republik Österreich ist dabei keine Hilfe.

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