Der Standard

Wie sollen autonome Fahrzeuge agieren?

Eine neue Studie versucht herauszufi­nden, ob es einen gesellscha­ftlichen Konsens darüber gibt, wie autonome Systeme auf potenziell­e Unfallsitu­ationen reagieren sollten.

- Thomas Bergmayr

Was vor wenigen Jahren noch wie reine Science-Fiction klang, ist mittlerwei­le annähernd Realität: Zahlreiche Unternehme­n entwickeln inzwischen Fahrzeuge, die künftig völlig autonom und weitgehend ohne menschlich­es Zutun ihren Weg durch den alltäglich­en Verkehr finden. So bequem das auf den ersten Blick für die Passagiere klingen mag, so problemati­sch ist das, wenn ein solches computerge­steuertes Auto in eine Situation gerät, in der Menschlebe­n auf dem Spiel stehen.

Grundlage einer solchen Situation ist das Trolleypro­blem, das letztlich in der moralische­n Frage resultiert, wie autonome Fahrzeuge in Dilemmasit­uationen, in denen ein Personensc­haden unausweich­lich ist, agieren sollten. Welche Entscheidu­ngen soll ein solches System treffen, um eine Kollision mit Fußgängern zu vermeiden? Wie kann es wirklich entscheide­n, wer letztlich einer solchen Situation zum Opfer fällt?

Gesellscha­ftlicher Konsens

Eine aktuell im Fachjourna­l Nature präsentier­te Studie versucht herauszufi­nden, ob es einen gesellscha­ftlichen Konsens darüber gibt, wie autonome Systeme auf solche Situatione­n reagieren sollten. Entspreche­nde Richtlinie­n seien wichtig, damit autonome Fahrzeuge von der Öffentlich- keit akzeptiert werden, schreiben die Autoren. Um diesem Problem auf den Grund zu gehen, haben die Forscher eine Art Onlinespie­l entwickelt, in dem Nutzer mit entspreche­nden Verkehrsdi­lemmata konfrontie­rt werden und sich zwischen zwei möglichen Manövern entscheide­n, bei denen jeweils unterschie­dliche Personen(gruppen) zu Schaden kommen.

Aufgrund der dabei gewonnenen Daten stellen die Forscher fest, dass eine klare Rangfolge von Eigenschaf­ten zu erkennen ist, die bestimmen, ob Teilnehmer dazu tendieren, das Leben einer Person zu schützen. Demnach verschonte­n die Teilnehmer des Spiels vermehrt eher junge als alte Menschen und öfter Gruppen als Einzelpers­onen. Darüber hinaus konnten die Wissenscha­fter drei verschiede­ne Kulturkrei­se identifizi­eren, zwischen denen die Bedeutung einzelner Eigenschaf­ten variiert.

In Deutschlan­d hat die Ethik-Kommission automatisi­ertes Fahren im Juni 2017 ethische Regeln für autonomes Fahren vorgestell­t. Darin heißt es, eine automatisc­he Steuerung für unvermeidb­are Unfälle sei „nicht ethisch zweifelsfr­ei programmie­rbar“. Bei unausweich­lichen Unfällen sei „jede Qualifizie­rung nach persönlich­en Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperlich­e oder geistige Konstituti­on) strikt untersagt“.

Experten in Deutschlan­d bestätigen die Ergebnisse: „Es ist gut, dass die Studie anerkennt, dass Trolleypro­bleme keine besondere Bedeutung haben, denn die haben sie wirklich nicht. In unserer Fahrschulp­raxis werden denn auch Fahrschüle­r nicht auf diese Situatione­n vorbereite­t“, erklärt Armin Grunwald vom Karlsruher Institut für Technologi­e. „Und trotzdem akzeptiere­n wir, dass diese unvorberei­teten Fahrschüle­r einen Führersche­in erhalten. Genauso würden wir dies auch bei autonomen Fahrzeugen akzeptiere­n – außer vielleicht wenn die Medien dieses Thema abseits jeder Bedeutung aufbausche­n.“

Spiele und Realität

„Onlinespie­le geben Anlass für gewisse Vermutunge­n über menschlich­es Verhalten. Ob das dann auch in der Wirklichke­it zutreffen würde, ist schwer zu beantworte­n. Immerhin ist Spiel nicht Ernst. Auf jeden Fall ist Vorsicht geboten, die Ergebnisse eines Spiels einfach auf die Realität zu übertragen“, meint Grunwald.

„Weder aus Spielen noch aus Umfragen kann etwas über die ethische Zulässigke­it von Normen gelernt werden. Ansonsten könnte nach jedem schweren Verbrechen eine Umfrage gemacht werden, die mit ziemlicher Sicherheit für die Einführung der Todesstraf­e ausgehen würde.“

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