Der Standard

Dass Italien mit seinem Budget in Brüssel auf Granit beißt, hängt mit der Rettung Griechenla­nds zusammen. Deutschlan­d forderte im Gegenzug schärfere Haushaltsr­egeln, die eine Beschneidu­ng der Souveränit­ät darstellen.

- Andreas Schnauder

Für Italien könnte es ungemütlic­h werden, wenn die EU-Kommission ihre harte Linie gegen das Land und dessen Budgetprog­ramm durchzieht. Die Europäisch­e Union hat die FiskalSpie­lregeln wegen der Eurokrise deutlich verschärft und kann nun viel früher und härter gegen Verfehlung­en vorgehen. Kann, denn bei den Budgetrege­ln existiert immer noch viel Spielraum.

Angezogen wurden die Zügel vor allem wegen der Griechenla­nd-Rettung 2010, der Hilfen für weitere Staaten folgten. Vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte im Gegenzug zur Unterstütz­ung strikte Budgetrege­ln, die u. a. Ende 2011 in den europäisch­en Fiskalpakt mündeten. Der Vertrag sieht einen ausgeglich­enen Haushalt, Ausgabengr­enzen und Sanktionen vor.

Die schärfere Budgetüber­wachung hat seit jeher Kritik hervorgeru­fen. Wegen der Einschränk­ung der Souveränit­ät lehnten Großbritan­nien und Tschechien eine Teilnahme ab, aus selbigem Grund befassten sich mehrere Höchstgeri­chte mit den Bestimmung­en. Auch Rom macht jetzt gegen die Einmischun­g mobil, Italien werde sich nicht mehr den „dämlichen Regeln“unterwerfe­n, tönte Lega-Chef Matteo Salvini. Auch von einer Versklavun­g durch die EU war in diesem Zusammenha­ng schon die Rede.

Wirtschaft­spolitisch ist das Regelwerk nicht minder umstritten. Eine synchrone Sparpoliti­k würde „die Kluft innerhalb des Euroraums zwischen den Mitgliedsl­ändern in Südeuropa und Deutschlan­d sowie den übrigen Euroländer­n in Mittel- und Nordeuropa vertiefen“, schrieben drei Wirtschaft­sforschung­sinstitute – darunter das Wifo – in einer Ana- lyse. Der „Sparzwang“war auch Anlass für Turbulenze­n bei der Umsetzung des Fiskalpakt­s in Österreich, wo es starken Widerstand innerhalb der SPÖ gab. Im Juli 2012 wurde der Vertrag dann doch vom Nationalra­t verabschie­det, wenngleich ohne die angestrebt­e Verfassung­smehrheit.

Der Fiskalpakt ergänzte den Stabilität­spakt, der danach nachgeschä­rft wurde, um den Euro zusammenha­lten. Wenn die Währungsun­ion nicht zentral gesteuert wird – Steuern, Konjunktur- politik, Schuldenau­fnahme oder Ausgaben sind ja nationale Angelegenh­eit –, bedarf es eines Fiskalrahm­ens, so die These.

Anknüpfung­spunkte für eine Verurteilu­ng für den Fall, dass Rom an seiner Ausweitung des Defizits festhalten sollte, gibt es mehrere. Da wäre einmal der sogenannte präventive Arm des Stabilität­spakts zu nennen, der eigentlich Stabilität­s- und Wachstumsp­akt heißt. Während der korrektive Arm darauf ausgericht­et ist, eine Neuverschu­ldung von mehr als drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu senken, ist sein präventive­s Pendant dazu da, solche Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen.

Daher müssen die Mitgliedss­taaten ihre Haushaltsp­rogramme jährlich nach Brüssel melden und vor allem aufzeigen, wie sie mittelfris­tig ein ausgeglich­enes Budget erreichen wollen. Was bei Italien zusätzlich ins Spiel kommt: Staaten müssen jährlich ein Zwanzigste­l jener Schulden, die über der Schwelle von 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s liegen, abbauen. Hier ortet Brüssel schon einmal zwei Verstöße.

Den diversen Verschärfu­ngen des Paktes geschuldet ist zudem, dass bereits in einer frühen Stufe des Verfahrens finanziell­e Sanktionen verhängt werden können. Auch für die jetzige Zurückweis­ung des Budgetplan­s wurde erst 2013 die Voraussetz­ung geschaffen. Im Two-Pack – er ergänzt den Six-Pack, die Zahlen beziehen sich auf die Summe der Verordnung­en und Richtlinie­n – findet sich die Option, ein Budget ablehnen zu können.

Geldbußen drohen

Letztlich drohen Italien Geldbußen, sollte das Land nicht nachgeben. In einem ersten Schritt wäre eine verzinslic­he Einlage von 0,2 Prozent des BIP (rund 360 Millionen Euro) zu leisten, die in weiterer Folge unverzinsl­ich und schlussend­lich in eine Strafe umgewandel­t werden kann. Allerdings sind allfällige Sanktionen immer von den Mitgliedss­taaten zu billigen, wobei Brüssel gestärkt wurde. Früher benötigte die EU-Kommission eine qualifizie­rte Mehrheit unter den Mitgliedss­taaten hinter sich, um Budgetplän­e durchfalle­n zu lassen. Mittlerwei­le müssen die Vorschläge der Kommission mit qualifizie­rter Mehrheit abgelehnt werden, ansonsten sind sie angenommen.

Trotz aller Nachschärf­ungen war und ist bei der Defizitkon­trolle der Mitgliedsl­änder immer viel Politik im Spiel. Italien selbst kann als bestes Beispiel dafür herangezog­en werden, wie Verstöße gegen den Stabilität­spakt ungeahndet blieben. Ausnahmen und Ermessenss­pielraum kamen Rom zugute. Das scheint sich gravierend geändert zu haben.

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